Der Vatikan hat am Montag erstmals die geheimen Archive aus dem Pontifikat von Papst Pius XII. geöffnet. Mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Tod des umstrittenen Pontifex begannen Wissenschaftler aus aller Welt damit, die Akten zu analysieren. Sie wollen insbesondere ergründen, weshalb der von 1939 bis 1958 amtierende Papst zum Holocaust schwieg.
Zahlreiche Forscher hatten die Öffnung des Geheimarchivs schon seit Jahren verlangt, um die Politik des Vatikans während der NS-Zeit zu untersuchen. Kritiker werfen Pius XII. vor, den Massenmord an den Juden durch die Nazis nicht öffentlich verurteilt zu haben.
Pius XII. habe während der NS-Zeit "niemals seine Stimme erhoben", sagte die italienische Historikerin Anna Foa. Sie bezweifele, dass sich durch die Auswertung der Akten ein anderes Bild ergebe.
Andere Forscher sind jedoch davon überzeugt, dass der Papst still im Hintergrund wirkte. Die Beantwortung der Frage dürfte noch Jahre dauern: Nach Angaben von Experten umfassen die Dokumente 16 Millionen Seiten und sind in Dutzenden Sprachen abgefasst. Mehr als 200 Historiker haben sich darum beworben, die Akten im Vatikanarchiv in Augenschein zu nehmen.
Unter ihnen ist der deutsche Historiker Sascha Hinkel, der an der Seite des renommierten Kirchenhistorikers Hubert Wolf an der Auswertung der Dokumente beteiligt ist. Er nannte die Öffnung des Archivs eine "großartige Möglichkeit". Es werde fünf Jahre dauern, um die wichtigsten Fragen zu beantworten. Insgesamt werde die riesige Dokumentensammlung die Forschung aber mindestens 20 Jahre lang beschäftigen.
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