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Fünf Jahre Haft für KZ-Wachmann

Das Urteil lautet fünf Jahre Haft für den ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen.

Das Landgericht Neuruppin hat einen ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sprach den 101-jährigen Josef S. am Dienstag in Brandenburg an der Havel der Beihilfe zum Mord und der Beihilfe zum versuchten Mord schuldig. Dem Gericht zufolge sind ihm mindestens 3500 Tote zuzurechnen.

Die Kammer gelangte zu der Überzeugung, dass S. drei Jahre in dem Konzentrationslager eingesetzt war. Demnach war er zwischen 1942 und 1945 Angehöriger des Wachbataillons im Lager und zudem Mitglied der Waffen-SS. S. habe mit seiner Wachtätigkeit "die Massenvernichtung bereitwillig unterstützt", sagte der Vorsitzende Richter Udo Lechtermann. Einem Gutachter zufolge sei er stets ein zuverlässiger und gehorsamer Wachmann gewesen, womit habe er sich zu "einem willfährigen Gehilfen der Tötungsmaschinerie" des Lagers gemacht habe.

Der Angeklagte habe durch seine Tätigkeit die Morde dort gefördert und damit Beihilfe geleistet. Ob er auch selbst Täter gewesen sei, könne nicht mehr festgestellt werden, weil keine Zeugen mehr lebten. Die Möglichkeit bestand laut Lechtermann aber "auf jeden Fall". "Die Wahrheit, Herr S., kennen Sie allein", sagte der Richter an die Adresse des Angeklagten. Dieser verfolgte die Urteilsbegründung aufmerksam, aber emotionslos - manchmal blickte er nach unten, manchmal in Richtung des Richters.

Dieser schilderte ausführlich die Zustände in Sachsenhausen. Das Tötungsgeschehen sei dort "von so herausragender Grausamkeit" gewesen. Jeder, der zwei Wochen im Lager war, habe davon gewusst. Der Angeklagte sei drei Jahre dort gewesen und habe gesehen, wie tausende Deportierte ermordet wurden, was ihn aber offenbar unberührt gelassen habe. "Sie haben Dienst nach Vorschrift getan", sagte der Richter an S. gerichtet.

Dieser hatte im Verlauf des im Oktober vergangenen Jahres begonnenen Prozesses bestritten, in dem Lager tätig gewesen zu sein. In einer von seinem Anwalt vorgelesenen Erklärung gab er an, erst bei Kriegsende von Litauen nach Deutschland gebracht worden zu sein. Auch in seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung beteuerte er erneut seine Unschuld. S. habe offenbar die Erinnerung verdrängt, sagte Lechtermann.

Es bleibe die Erkenntnis, dass solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit niemals wieder geschehen dürfen, schloss der Vorsitzende Richter seine Urteilsbegründung. Das Gericht kam mit seinem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft in voller Höhe nach. Der Verteidiger hatte hingegen einen Freispruch beantragt. Er kündigte bereits nach der Verhandlung an, Revision gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof einlegen zu wollen.

Der Angeklagte war einem Gutachten zufolge nur eingeschränkt verhandlungsfähig - für zwei bis zweieinhalb Stunden am Tag. Aufgrund der Nähe zu seinem Wohnort fand der Prozess deshalb in Brandenburg an der Havel statt - und dort aus Platzgründen in der Sporthalle.

Den Fall des 101-jährigen KZ-Wachmanns hatte die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg im April 2019 der Staatsanwaltschaft Neuruppin übergeben. Diese erhob dann im Januar vergangenen Jahres Anklage.

Das Lager Sachsenhausen nördlich von Berlin war ein Ausbildungsort für Wachpersonal und Kommandanten der Konzentrationslager im gesamten NS-Terrorsystem. Insgesamt wurden dort über die Jahre rund 200.000 Menschen gefangen gehalten. Zehntausende Häftlinge starben durch Hunger und Krankheiten, Zwangsarbeit, medizinische Versuche und Misshandlungen sowie systematische Vernichtungsaktionen der SS.

In Deutschland gab es zuletzt bereits mehrere Prozesse gegen frühere Mitglieder von Lagermannschaften. So verurteilte zuletzt das Landgericht in Hamburg vor fast zwei Jahren einen 93-jährigen früheren Stutthof-Wachmann wegen Beihilfe zum Mord in 5232 Fällen zu einer Jugendhaft von zwei Jahren auf Bewährung. Aktuell verhandelt zudem das Landgericht Itzehoe in Schleswig-Holstein gegen eine frühere Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof.

awe/cfm