Die „Münster International Peace Research Initiative“ (mipri) stärkt die Universität und die Stadt Münster als Standort für Friedens- und Konfliktforschung. Um das zu erreichen, unterstützt und bündelt die Initiative das wissenschaftliche und gesellschaftliche Potenzial für nachhaltige und friedensfördernde Maßnahmen. Durch die Vergabe von insgesamt vier Friedensforschungspreisen für ein innovatives Vorhaben holt mipri exzellente internationale Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in das Projekt. Zwei von ihnen berichten in Gastbeiträgen über ihre Forschung.
Einstimmigkeitsverfahren überdenken
Ein Gastbeitrag von mipri-Preisträgerin Magdalena Viktoria Kuyterink
Motivation für meine Forschung ist Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ich beschäftige mich mit Aspekten optimaler Sanktionsmöglichkeiten und Koalitionsgrößen. Verbündete und zwischenstaatliche Organisationen haben oft das Problem, dass sie eine Basis finden müssen, um Maßnahmen gemeinsam zu entwickeln und umzusetzen – ein schweres Ziel. Denn die jeweiligen Interessen sind sehr unterschiedlich. Einige Länder oder Organisationen haben mehr zu verlieren als andere – beispielsweise, weil sie enge Handelsbeziehungen oder eine gemeinsame Grenze mit den betroffenen Konfliktparteien haben. Ich beschäftige mich mit der Frage, ob effizientere und sozial wünschenswerte Ergebnisse erzielt werden könnten, wenn die Bildung sogenannter endogener Bündnisse zugelassen würde. Das bedeutet, dass Sanktionen von einer Untergruppe von Ländern beschlossen werden und nicht alle diesen zustimmen müssten. Mit meiner Forschung möchte ich solide Argumente liefern, um das Einstimmigkeitsverfahren in zwischenstaatlichen Bündnissen zu überdenken.
Da ich immer nach neuen Forschungsideen Ausschau halte, freue ich mich sehr über den mipri-Preis. Er ermöglicht es mir, über den eigenen Tellerrand zu schauen und mich mit Wissenschaftlern an der WWU auszutauschen. Mipri bringt inspirierende junge Köpfe zusammen und gibt uns die Möglichkeit, uns untereinander und mit Akteuren in Münster zu vernetzen. In den kommenden Monaten plane ich, Münster und die Universität zu besuchen. Im Fokus steht ein intensiver Austausch mit meinen Gastgebern Dr. Lena Gerling und Prof. Dr. Thomas Apolte vom Centrum für interdisziplinäre Wirtschaftsforschung.
Mit den anderen mipri-Preisträgern haben wir bereits ein digitales Treffen organisiert. Die Verbindungen zwischen uns und unseren unterschiedlichen Forschungsthemen bieten eine große Chance, interdisziplinäre Lösungen und Maßnahmen im Bereich Friedens- und Konfliktforschung zu entwickeln. Denn das ist es, was mich und meine Arbeit täglich antreibt: Frieden – für mich so wichtig wie Gesundheit, Familie und Freunde, um glücklich zu sein.
Magdalena Viktoria Kuyterink forscht an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften am European University Institute in Florenz.
Freiheit der Gefangenen als Basis des Friedens
Ein Gastbeitrag von mipri-Preisträgerin Alyssa Bernstein
Im Westfälischen Frieden wurden zum ersten Mal, zumindest in europäischen Kriegen, Kriegsgefangene in einem formalisierten Austausch freigelassen. Zuvor hatte jede Seite die Gefangenen in der Regel hingerichtet, durch Lösegeldzahlungen freigekauft oder versklavt. Mittlerweile ist die Freilassung von Gefangenen ein routinemäßiges Element in Kriegen und bei Friedensverhandlungen geworden.
Obwohl ein Friedensabkommen zwischen den palästinensischen und israelischen Behörden nicht absehbar ist, sind die Tausenden von palästinensischen Gefangenen, die in israelischen Gefängnissen festgehalten werden, ein zentrales Thema in dem Konflikt. Die Palästinenser erwarten ihre Freilassung als Voraussetzung für Verhandlungen oder als Ergebnis eines Friedensabkommens. Erstaunlicherweise wurde die Freilassung von Gefangenen angesichts ihrer Bedeutung nicht einmal im ersten Osloer Abkommen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation von 1993 erwähnt. Die inhaftierten Männer und Frauen mussten ihre Freilassung fordern.
Mein Interesse an den gesellschaftlichen Aspekten von Recht und Konflikten hat mich dazu gebracht, zu untersuchen, wie politisch aktive Palästinenser in israelischen Gefängnissen Widerstand leisten und sich organisieren. Jetzt interessiere ich mich für ihre Rolle in der internationalen Politik. Diese Forschung konzentriert sich auf die Dynamik von Verhandlungen in einem unlösbaren Konflikt. Konkret untersuche ich die palästinensischen Strategien zum Umgang mit den symbolischen und praktischen Problemen der Gefangenen bei Verhandlungen mit ausländischen Mächten. Dies sind schwierige Fragen, aber ich hoffe, dass die Antworten die Bedeutung der Gefangenenthematik in diesem speziellen Konflikt und in Friedensverhandlungen im Allgemeinen verdeutlichen.
Mipri ist ein spannendes neues Programm. Es ist eine Ehre, dabei zu sein. Der Preis wird es mir ermöglichen, mit meinem Gastgeber Prof. Dr. Bernd Schlipphak vom Institut für Politikwissenschaft der WWU an dieser Forschung zu arbeiten. Die Arbeiten der anderen Preisträger sind faszinierend – ich freue mich auf den Austausch.
Dr. Alyssa Bernstein forscht am Institut für Kriminologie der Cambridge Universität.
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 1. Juni 2022.
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Foto: Logo mipri / © WWU - mipri