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Hitler ist zum Töten da

"Effi Briest" feierte gestern im Kleinen Haus des Theater Münster Premiere. Das Stück stellt sich als ungeheuer ungleichgewichtig und schwerfällig dar.


Tarantino tötet Hitler. Waititi tötet Hitler. Tureček nicht. Was, es gab gar keinen Hitler zu Effi Briests Zeiten? Stimmt. Aber es gab auch keinen Fernsehturm, kein Deo, keine Barbiepuppe, keine Osterhasin, keine Mikrophone, keine Kameras und keine Leuchtschilder auf Englisch. Im Sinne der Trivialität hat man sich Anachronismen zugetraut. Ebenso hat man in Innstetten (Christoph Rinke) moderne Politiker hineingeschrieben, deren Rollenbilder alles andere als modern erscheinen. Nicht Hitler, sondern Trump und Johnson. Nicht vergasen, sondern gaslighting steht hier an der Tagesordnung. Doch wo bleibt der Gegenpart? Bei Tureček Vorbildern "Big Little Lies“ wehren sich die Frauen gegen den Vergewaltiger. Effi Briest (Eva Dorlass) bleibt nur die stereotype Hysterie. Widerstandslos akzeptiert sie ihr Schicksal. Ihre Tochter wird ihr geraubt. Ihre Affäre Crampas (Louis Nitsche) erschossen. Ihr Leben wird vorbestimmt, isoliert, schließlich zerstört. Beklatscht wird am Ende nur ihre Realisation, eine Reaktion aber bleibt aus.

Thelma und Louise fahren die Klippe hinab. Bei einem Remake… – Entschuldigung! Bei einer Adaption würde das nicht mehr reichen. Thelma und Louise dürfen nicht die Klippe hinunterstürzen und sterben. Sie müssen überleben. Getragen von der Autorin. Die Polizisten tötend. So muss auch Effi, wenn nicht zur Waffen greifen, zumindest aktiv werden. Wenn schon ihre männlichen Gegenparts moderner werden, muss auch sie es werden. Es darf nicht sein, dass dem misogynen Rassisten Innstetten nur Wüllersdorf (Gerhard Mohr) entgegnet es sei schade, dass er mit allem Recht habe. Briests Endmonolog erntet beim Publikum Applaus, weil sie ihre Misshandlung anerkennt.

Effi Briest feiert bereits im Stück Premiere. Hier liebt sie die Affäre Crampas und der Ehemann Innstetten beklatscht sie. Später sollten es die Münsteranerinnen sein, die glauben eine emanzipierte Frau vor sich zu haben. Dabei demonstriert Tureček eindrucksvoll die Machtlosigkeit gegenüber Männern wie Trump und Johnson und Innstetten. Seine Botschaft: leben Sie sechs Jahre in einer solchen toxischen Beziehung und nach der Realisation werden Sie beklatscht. Setzten sie sich bloß nicht zur Wehr. Werden sie bloß nicht aktiv. Es bleibt nur die Empörung. Ein Papagei, der weiß und artikuliert, dass er in einem Käfig lebt, lebt immer noch im Käfig. Ich will ihn ausbrechen sehen. Den Einsperrer bestrafen sehen. Was sonst sagt man über die Situation aus?  

Bitte, Herr Tureček, wenn sie schon einen Hitler auf die Bühne bringen, dann töten sie ihn auch wieder, anstatt seine Erfolgsgeschichte zu porträtieren. 

Geschrieben von Flo

Foto: Oliver Berg



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