AUSSERIRDISCH: 50,68! Fünfzigkommaachtundsechzig! Was Sydney McLaughlin (Wiki) zum Abschluss des achten Wettkampftages im WM-Finale über 400 m Hürden vollbracht hat, ist selbst in einer Leichtathletik, die Wunderleistungen von Beamon bis Bolt erlebt hat, unglaublich. Die Olympiasiegerin von Tokio verbesserte den Weltrekord bei ihrem Wunderlauf zu Gold um 73 Hundertstel. Das sind Welten, nein: Universen. Seit Juni 2021 hat die heute 22-Jährige die Weltbestmarke um 1,48 Sekunden verbessert - zuletzt war sie vier Wochen vor der WM ebenfalls in Eugene 51,41 gerannt. "Das ist einfach unwirklich", sagte sie nach dem ersten Weltrekord der laufenden WM. Das sah am Freitagabend niemand anders.
IRDISCH: Die Titel über hürdenlose 400 m holten US-Sprinter Michael Norman (44,29) und Olympiasiegerin Shaunae Miller-Uibo von den Bahamas (49,11) mit starken, aber nachvollziehbaren Zeiten. Im Frauen-Finale wäre McLaughlin mit ihrer Hürdenzeit übrigens Siebte geworden.
LOTTO: Das einzige Finale des Abends mit deutscher Beteiligung endete wieder mit einem langen deutschen Gesicht. Speerwerferin Annika Marie Fuchs kam mit 56,46 m beim Sieg der australischen Titelverteidigerin Kelsey-Lee Barber (Australien/66,91) auf den zwölften und letzten Platz. "Das ist wahnsinnig enttäuschend. Im Moment ist es bei mir wie Lottospielen, weil meine Konstanz nicht da ist", sagte Fuchs in der ARD und schluchzte: "Ich bin froh, dass ich im Finale stand, aber ich hätte so gerne mehr gezeigt."
ZITTERN: Scharf an einer weiteren deutschen Pleite schrammte Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre vorbei, der in der Qualifikation erst im letzten Versuch 5,75 m überquerte und sich ins Finale am Sonntag rettete. "Es war auf jeden Fall nervenaufreibend", sagte der Leverkusener. Auch Oleg Zernikel schaffte es unter die zwölf Starter der Medaillen-Entscheidung - er übersprang 5,75 m ohne Mühe.
STAFFEL-LUST: Von einer Medaille - der ersten seit Bronze in Berlin 2009 - dürfen auch die deutschen Sprinterinnen träumen. Gina Lückenkemper und Co. rannten im Vorlauf in 42,44 Sekunden die viertbeste Zeit und stehen am Samstag im Finale. Und bei einer Staffel-Entscheidung kann schließlich immer sehr viel Unerwartetes passieren. "Jetzt heißt es Vollgas", sagte Schlussläuferin Rebekka Haase. Großer Goldfavorit ist freilich Jamaika, das im Vorlauf noch auf sämtliche Topstars um die fünfmalige 100-m-Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser-Pryce verzichtete.
STAFFEL-FRUST: Die deutschen Männer waren mit ihrem im Juni erzielten deutschen Rekord (37,99) als Nummer eins der Welt nach Eugene gereist, hätten damit auf einer idealen Mittelbahn laufen dürfen. Weil der Weltverband aber nur zwei Tage vor dem Rennen das Setzsystem änderte und auch Einzelzeiten berücksichtigte, fand sich der deutsche Vierer plötzlich auf der unangenehmen Innenbahn wieder. Dort ging im Vorlauf der erste Wechsel von Kevin Kranz auf Joshua Hartmann schief - 38,83 Sekunden, Platz elf in der Endabrechnung, raus. "Wir haben alles gegeben von dieser Bahn aus", sagte Hartmann.
ERFOLGE DRINGEND GESUCHT: Wie sehr der Deutsche Leichtathletik-Verband ein erfolgreiches Schluss-Wochenende der WM nötig hat, zeigt vor den letzten beiden Wettkampftagen der Blick auf die Nationenwertung - in diese gehen nicht nur Medaillen, sondern alle Platzierungen bis Platz acht ein. Das deutsche Team liegt dort mit vier Punkten (für den fünften Platz von Diskuswerferin Claudine Vita) auf Rang 47. Noch hinter Peru (16 Punkte), Liberia oder Niger (beide fünf), gleichauf mit Dominica und Albanien. An der Spitze: Die USA mit 256 Punkten vor Äthiopien (82) und Jamaika (70).
WAS NOCH ZU SAGEN WÄRE: "Ich bin auf jeden Fall gut drauf und bereit, am Sonntag auf die Kacke zu hauen." (Stabhochspringer Oleg Zernikel in der ARD mit Blick auf das Finale)
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