Die italienische Regierung greift im Kampf gegen die Coronavirus-Epidemie zu drastischen Maßnahmen: Rom erließ am Sonntag ein Ein- und Ausreiseverbot für die mehr als 15 Millionen Einwohner der Regionen in Norditalien, zu denen auch die Wirtschaftsmetropole Mailand und der Touristenmagnet Venedig gehören. Die Zahl der Todesopfer durch das neuartige Coronavirus stieg unterdessen sprunghaft um 133 auf 366 an - damit liegt Italien nun weltweit auf Platz zwei hinter China.
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte erklärte via Twitter, die Abriegelung großer Teile Norditaliens gelte von Sonntag an bis zum 3. April. Dadurch soll die weitere Ausbreitung der Epidemie in die Mitte und den Süden Italiens eingedämmt werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) begrüßte die Maßnahmen.
Ausnahmen bei dem grundsätzlichen Ein- und Ausreiseverbot sind nur aus dringenden beruflichen oder familiären Gründen und in gesundheitlichen Notfällen möglich. Die Rückkehr etwa von Touristen an Wohnorte außerhalb der betroffenen Regionen bleibt erlaubt, ebenso die Rückkehr von Menschen an ihre Wohnorte in den Regionen.
Innerhalb der sogenannten roten Zone sind Fahrten nur eingeschränkt erlaubt; Sicherheitskräfte können die Fahrer kontrollieren und eine Begründung verlangen. Für den öffentlichen Verkehr gelten hingegen keine spezifischen Einschränkungen. Der Flugverkehr in Mailand und Venedig schien am Sonntag nicht beeinträchtigt, an den Bahnhöfen herrschte normaler Betrieb.
Die Grenzen zu Österreich und Slowenien sowie zur Schweiz blieben offen. Das Auswärtige Amt in Berlin riet aber von Reisen in die betroffenen Regionen und von "nicht erforderlichen Reisen in die autonome Provinz Bozen-Südtirol" ab.
Das Dekret der Regierung in Rom gilt für die gesamte Lombardei, einen Teil der Region Venetien, den Norden der Emilia-Romagna und den Osten des Piemont. Allein in der Lombardei leben zehn Millionen Menschen, davon knapp 1,4 Millionen in Mailand. Die Region ist das wirtschaftliche und industrielle Herz Italiens.
Die italienische Regierung ordnete außerdem ein Verbot von kulturellen, sportlichen und religiösen Veranstaltungen an. Museen, Kinos und Theater sollen landesweit geschlossen bleiben. Die Schulen und Universitäten sind bereits seit Donnerstag in ganz Italien geschlossen. Bars und Restaurants dürfen in den Gebieten der sogenannten roten Zone nur ihren Betrieb fortsetzen, wenn ein Mindestabstand zwischen den einzelnen Gästen und Mitarbeitern von einem Meter eingehalten wird. Der italienische Zivilschutz gab am Abend den Kauf von 22 Millionen Atemschutzmasken bekannt.
Wegen der Epidemie sprach der Papst am Sonntag erstmals nur per Live-Stream zu den Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom. Er sei "nah" bei den Kranken und dem medizinischen Personal, das die Menschen betreue, sagte Franziskus. Es fühle sich aber "etwas merkwürdig" an, dass er das traditionelle Angelus-Gebet diesmal von seiner Bibliothek aus spreche, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche.
Das neuartige Coronavirus, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslöst, hat sich mittlerweile auf fast 100 Länder ausgebreitet. Weltweit wurden mehr als 109.000 Infektionen und fast 3600 Todesfälle registriert. Mit 7375 nachgewiesenen Infektionen und 366 Todesopfern ist Italien das am schwersten von der Epidemie betroffene Land Europas.
In China, wo das neuartige Coronavirus im Dezember erstmals aufgetreten war, gab es derweil die Hoffnung auf ein Ende der drastischen Quarantäne-Maßnahmen. Mit 44 Neuinfektionen war diese Zahl am Sonntag nach offiziellen Angaben erneut rückläufig. Mit 27 neuen Todesopfern - alle in Hubeis Hauptstadt Wuhan - meldete das Land die geringste Opferzahl seit mehr als einem Monat. Insgesamt starben damit in Festlandchina 3097 Infizierte.
Auch Südkorea verzeichnete einen Rückgang bei den Neuinfektionen. Am Sonntag wurden dort 272 neu Infizierte registriert, deutlich weniger als die bisher täglich rund 500 neuen Fälle. Der Iran hingegen meldete am Sonntag einen Anstieg um 49 Todesfälle auf 194 binnen 24 Stunden. Die Gesamtzahl der gemeldeten Infektionen lag bei 6566. Die nationale Fluggesellschaft Iran Air stoppte bis auf weiteres alle Flüge Richtung Europa.
mid/lan
Gildas LE ROUX und Dmitry ZAKS / © Agence France-Presse