Mehr Geld, aber weniger Medaillen: Die Debatte um die Ausrichtung der Spitzensportförderung in Deutschland nimmt während der European Championships Fahrt auf, einen differenzierten Beitrag liefert der Verein Athleten Deutschland. Vor der Sportministerkonferenz am Dienstag in München veröffentlicht die Sportlervertretung die Analyse mit dem Titel: "Warum ist es uns das wert?" Darüber berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vorab.
"Die grundständige Frage nach Sinn und Zweck – und damit auch nach den gesellschaftlich wünschenswerten Funktionen der staatlichen Spitzensportförderung – bleibt seit Jahrzehnten unzureichend beantwortet", heißt es in dem 85-seitigen Papier, das die Athleten den Sportministern von Bund und Ländern zukommen lassen. "Wir möchten damit den Elefanten im Raum auf die sportpolitische Agenda heben", sagen sie.
Dieser "Elefant" ist die Frage nach den Zielen des Leistungssports. Warum werden Steuergelder wie verteilt? "Welche Disziplinen im Spitzensport wollen wir aus welchen Gründen fördern?", fragen die Athleten und kritisieren: "Die Mittelverteilung, so wie sie im Rahmen der Leistungssportreform vorgesehen ist, bedeutet eine undifferenzierte Optimierung von Erfolg." Ohne den Nutzen für die Gesellschaft, die "Gemeinwohlsteigerung" in den Blick zu nehmen.
Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hatte die Reform vor sieben Jahren auf den Weg gebracht - mit dem Ziel, mehr Medaillen zu gewinnen. Seitdem fließt mehr Geld, bis zu 1,2 Milliarden pro olympischem Zyklus allein vom BMI, doch die Erfolge werden weniger, zuletzt gesehen bei den Olympischen Spielen in Tokio oder der Leichtathletik-WM in Eugene. Für die Athleten greift die Fixierung auf Medaillen ohnehin zu kurz, sie fordern einen gesellschaftlichen Konsenz zur Legitimation des Leistungssports.
Der gewünschte Gesellschaftsvertrag, so steht es in der Analyse der Athletenvertretung, könne "eine Änderung der Förderrichtlinien" oder "sogar einen eigenen Gesetzgebungsprozess für ein Sportfördergesetz bedeuten". Dafür sei die Debatte über den "Elefanten" auf allen Ebenen notwendig - und die Gelegenheit scheint günstig. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ein Zukunftskonzept für den Spitzensport zum Jahresende versprochen inklusive öffentlicher Anhörung zur Förderung.
Athleten-Geschäftsführer Johannes Herber (Wiki) hatte die Fragen über die Ziele der Verteilung der öffentlichen Mittel bereits in der vergangenen Woche im Interview mit dem SID beschrieben: "Wollen wir Vielfalt fördern oder Medaillen maximieren? Wollen wir mit Nationen konkurrieren, in denen nachweislich gedopt wird und schon Kinder unter immensem Druck und Trainingspensum Leistungssport betreiben? Wie kann die Strahlkraft des Spitzensports möglichst vielen Menschen nutzen?" Antworten soll die öffentliche Wert-Debatte liefern - das hoffen die Athleten Deutschland. © 2008-2022 Sport-Informations-Dienst