Das gesamte Gespräch wirkt sehr oberflächlich. Klar, es geht ja auch ums Geschlecht. Wer nichts wird, wird Wirt und wer keine inhaltliche Ahnung von der US-Politiklandschaft hat, der redet über das Geschlecht und denkt, dass Clinton aufgrund ihrer Weiblichkeit zwei Präsidentschaftswahlen verloren hat.
"'Amerika ist leider definitiv nicht bereit für eine Präsidentin', sagte Regisseurin Nanette Burstein im Deutschlandfunk."
Das ohnehin kurze Interview handelt vorwiegend vom 2016er Wahlkampf. Es macht also Sinn sich zu fragen was noch einmal 2008 war. Ach ja, stimmt. Der erste Schwarze wurde Präsident. Aber er ist ja leider auch nur ein Mann. Es ist fast wie 1848 beim first-wave feminism, als sich die suffragettes beschwert haben, dass schwarze Männer früher wählen durften als sie.
Die Dokumentation soll "symbolhaft für die Geschichte des Feminismus" sein. Ja, so weit stimmt das also wirklich. Natürlich behandeln wir männliche Politiker anders als weibliche. Natürlich existiert Sexismus und Misogynie auch in der Politik. Das gilt es gar nicht zu leugnen. Aber das hat nichts mit Hillarys Niederlage zu tun. Und dass man glaubt "Amerika ist nicht bereit für eine weibliche Präsidentin" und den Grund für den Hass auf sie in ihrem Geschlecht sieht, offenbart sie hässliche Seite des fourth-wave feminism. Diese Seite ist: Geschlecht, Geschlecht, über alles, über alles in der Welt.
"Fischer: Würden Sie sagen, an Hillarys Beispiel kann man sehen, dass Amerika nicht bereit ist für die erste weibliche Präsidentin? Auch heute noch nicht Burstein: Ja, traurigerweise ist Amerika definitiv nicht bereit für die erste weibliche Präsidentin." Man muss sich nur mal vor Augen führen, dass Bernie Sanders die schrecklichen Worte gegenüber Elizabeth Warren geäußert haben soll "A Woman can't be president". Wo ist das Problem? Selbst wenn er es gesagt hat, was er bestreitet, ist doch klar, dass er es genauso wie Burstein meint und nicht im frauenfeindlichen Sinne.
Burstein sieht den Grund des Hasses aber auch in dem Wahlsieg von Bill Clinton und der daraus resultierenden Feindseligkeit der Republikaner gegenüber den Clintons. Mein Titel spielt deshalb auch an Bill Clintons erfolgreichen und durchaus genialen Wahlkampf 1992 gegen George H. Bush an, mit seinem Motto: It's the economy, stupid (oder genauer: The economy, stupid). Bill Clinton ist aber auch ein Vergewaltiger und hat das Leben von Monica Lewinsky zerstört. Sogar einen Krieg hat er deswegen angefangen, damit es weniger in den Medien auftaucht. Einfach klasse, diese Clintons!
Auf der anderen Seite sieht Burstein auch Fortschritt. Denn es seien mehr Frauen in den Kongress gewählt worden. Das ist Interessant, denn genau diese Frauen, also Alexandria Ocasio-Cortez, Rashida Tlaib und Ilhan Omar hassen Hillary und unterstützen Bernie. Und von den anfangs "sechs Kandidatinnen für das Präsidentenamt" suchte sich Hillary glatt Tulsi Gabbard heraus und nannte sie eine "russische Spionin" (Russian asset).
Wow, du bist ja richtig beliebt bei Frauen, Hillary! Du sorgst Dich so darum, dass "Frauen in die höchsten Machtpositionen" gelangen. Gut für Dich! Und da sagst du noch, dass niemand in der Partei Bernie mag... Laut Burstein würde Hillary aber selbst Bernie unterstützen, wenn er der Nominierte wird. Das wage ich zu bezweifeln.
Ich glaube ebenso sehr wohl, dass Frauen der "Boss" sein können. Doch diese Frauen, wie etwa der squad, sind vielleicht nicht gerade so weiß und privilegiert wie Clinton. Natürlich muss Fischer sie darauf hinweisen, dass in Deutschland seit 15 Jahren ein "weiblicher Boss" regiert. Mein Gott, wir haben doch schon gesehen, was Obama wirklich für die black community tun konnte, gar nichts. Was konnte Merkel für deutsche Frauen machen? Die Frau sollte schon selber Feministin sein, oder? Und so wäre auch Clintons Machtergreifung rein symbolisch gewesen. Auf der anderen Seite: Was hat sie schon verloren?
Burstein sieht aber im Bezug auf Merkel den Unterschied im amerikanischen System. Man wähle hier keine Partei, sondern eine Persönlichkeit und Frauen würden hier anders bewertet werden. Dem stimme ich sogar zu, aber dieser Fall trifft nicht bei Clinton zu. Verdammt, sie hat 2008 gegen einen Schwarzen verloren und 2016 im zweiten Anlauf gegen Trump gewonnen. Michael Moore betont immer wieder, dass Hillary drei Millionen mehr Stimmen bekommen hat als Donald Trump. Es liegt nur an dem verworrenen amerikanischen Wahlsystem, dass nicht die Person mit den meisten Stimmen ins Amt kommt. Laut Burstein würde es Hillary jeden Tag kränken, dass sie "gegen ihn verloren hat". Nun, die Clintons gehören mit zu der verhasstesten Familie der USA, aber sie hat auch deshalb verloren, weil sie zu arrogant war, wichtige Staaten nicht besucht hat und weil jeder an ihren Sieg geglaubt hat. Nate Silver und sein Team haben berüchtigterweise Clintons Chance auf einen Sieg auf 71,4% geschätzt.Es ist also so billig sich hinter Clintons Weiblichkeit zu verstecken und sie als Opfer darzustellen. Das für Frauen ganz andere Sicherheitsstandards gelten und sie auf ihr Äußeres reduziert werden, ist wiederum nicht kontrovers. So beginnt auch die Doku rund um AOC. Da müssen wir ran.
Laut Burstein wollten keine Clinton-Kritiker mit ihr Reden. So wurde aus einen ursprünglich geplanten kritischen Sicht, wohl doch eine einseitige Lobeshymne. Auf den fehlerhaften Umgang mit der Presse und die Wall-Street Reden würde man aber eingehen.
In der letzten Frage will Fischer noch wissen, was Burstein von dem Weinstein-Urteil hält. Sie scheint es in dem Kontext zu stellen, dass das ja auch mit Geschlecht, mit Frauen und Macht zu tun hat. Doch weiß Sigrid Fischer, dass Harvey Weinstein ein enger Freund von Hillary Clinton ist? Weiß sie, dass er ihre Kampagne mit mehreren Millionen Dollar unterstützt hat? Burstein geht darauf natürlich nicht ein, deshalb meine Vermutung, dass Fischer von der Connection nichts weiß. Sie sei über das Urteil froh. Scheinbar hat ihn auch die Doku nicht angesprochen, sonst wüsste Fischer ja davon.
Es muss also endlich klar sein, dass Hillary nicht verloren hat, weil sie eine Frau ist. Technisch gesehen hat sie ja auch gar nicht verloren - weder gegen Trump noch gegen die Russen. Amerika ist bereit für eine Präsidentin. Sie wird nur nicht weiß sein, Frau eines Vergewaltigers, Freundin der Wall Street, Kriegstreiberin, korrupt, frauenfeindlich, opportunistisch. Aber das wird zugegebenermaßen noch etwas dauern. Eben auch weil Frauen wie Hillary überhaupt das politische Tagesgeschehen so bestimmen und andere Frauen aus ihm rausdrängen.
Ach Hillary. Du und deine Fans.
Und eine Sache noch: Jeffrey Epstein hat keinen Selbstmord begangen.