Für Pflanzen sind ungünstige Umweltbedingungen ein erheblicher Stress. Ein hoher Salzgehalt (Natriumchlorid, NaCl) im Boden ist beispielweise ein solcher Stressor, der sich negativ auf die Pflanze auswirkt. Bodenversalzung ist vor allem in der Landwirtschaft ein ernst zu nehmendes Problem, besonders in trockenen Regionen der Welt. Biologinnen und Biologen der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben nun erstmals herausgefunden, dass Salzstress Kalziumsignale (Ca²+) in einer speziellen Zellgruppe in der Pflanzenwurzel auslöst, die darin eine "natriumempfindliche Nische" bilden. Die Wissenschaftler identifizierten darüber hinaus ein kalziumbindendes Protein, das besonders zur Salztoleranz unter starken Salzstressbedingungen beiträgt. Die Studienergebnisse sind nun im Fachmagazin "Developmental Cell" erschienen.
Hintergrund und methodisches Vorgehen
Salzstress wird durch die Akkumulation von übermäßigen Salzkonzentrationen im Boden verursacht, die das Pflanzenwachstum hemmt und schließlich zum Absterben der Pflanze führen kann. Deshalb sind Pflanzenforscher daran interessiert, die Anpassungsmechanismen an Salzstress besser zu verstehen, um salztolerantere Pflanzen zu züchten. Prof. Dr. Jörg Kudla und sein Team vom Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen der WWU gingen der Frage nach, wie Pflanzen die Intensität von Salzstress messen und wie sie darauf reagieren. Als Versuchspflanze nutzten die Wissenschaftler die Ackerschmalwand, die zu den Kreuzblütengewächsen gehört. Zunächst untersuchten sie, ob Arabidopsis-Wurzeln Zelltypen besitzen, die bevorzugt auf Salzbelastung reagieren, oder ob die gesamte Wurzel eine einheitliche Reaktion zeigt. Zudem erforschten sie, ob sich die Intensität des Salzstresses quantitativ in der Intensität des Kalziumsignals widerspiegelt. "Das Ergebnis überraschte uns", betont Jörg Kudla. "Obwohl die gesamte Pflanzenwurzel Stress ausgesetzt wurde, reagierte nur eine spezifische Zellgruppe - nur diese bildete ein sogenanntes oligo-zelluläres Kalziumsignal."
Diese Zellgruppe sei optisch nicht erkennbar. "Wir können sie nur funktionell durch hochauflösende Biosensorik von den anderen Zellen unterscheiden. Es war ein extrem aufschlussreicher und konzeptionell wichtiger Zufallsfund", erklärt Jörg Kudla. Denn in diesen funktionell spezialisierten Zellen bildet sich das primäre Kalziumsignal aus. Dabei fanden die Pflanzenbiologen heraus, dass bei größerem Salzstress auch das Kalziumsignal stärker wird. Die Pflanze ist also in der Lage, Informationen über die Intensität des Stresses an den Organismus zu schicken. Daraus ergab sich die Frage, wie die Zellen der Pflanze unterscheiden können, ob es sich um ein schwaches oder ein starkes Signal handelt, um dementsprechend unterschiedlich reagieren zu können. Kalziumsignale werden im Allgemeinen durch verschiedene Kalziumbindungsproteine, die als Kalziumsensoren fungieren, ausgelesen.
CBL Proteine wichtig für die Salztoleranz
In Pflanzen übernehmen diese wichtige Aufgabe häufig die sogenannten CBL-Proteine. Über das Protein CBL4 ist seit längerem bekannt, dass es wichtig für die Salztoleranz ist und entsprechende Mutanten ohne funktionsfähiges CBL4 Protein äußerst sensitiv gegenüber Salzstress sind. In ihrer Arbeit entdeckten die Wissenschaftler, dass Mutanten des CBL8-Proteins ebenfalls in ihrer Salztoleranz beeinträchtigt sind. Allerdings zeigten Mutanten von CBL8 im Gegensatz zu Mutanten von CBL4 nur unter starkem Salzstress Wachstumseinschränkungen. Nach biochemischen Analysen fanden sie heraus, dass eine hohe Kalziumkonzentration das CBL8 Protein aktiviert - während das CBL4-Protein auch bei niedriger Kalziumkonzentration aktiv ist.
Ein interessanter Aspekt, den die Biologen in diesem Zusammenhang entdeckten, ist die Evolution der CBL-Proteine. Die meisten Getreidesorten sind sogenannte Einkeimblättrige, wie etwa Mais, Weizen und Gerste. Sie besitzen nur das CBL4-Protein - ihnen fehlt also der Schaltermechanismus zur Anpassung an starken Salzstress. Daneben gibt es noch zweikeimblättrige Pflanzen, zum Beispiel Tabak und Tomaten. Hier konnte nachgewiesen werden, dass früh in der Evolution eine Gen-Duplikation stattgefunden hat, aus der sich das CBL8 Protein bildete. Dadurch wurde die Möglichkeit der Pflanzen auf Salzstress zu reagieren, verbessert. "Ein interessanter Ansatz ist es daher, das CBL8-Protein in die Einkeimblättrigen einzuführen, damit sich auch diese Pflanzen besser an Salzstress anpassen", blickt Jörg Kudla voraus. Das dürfte für Pflanzenzüchter eine zunehmende wichtige Maßnahme sein, umkünftig mit Trockenheit und Salzstress besser umzugehen.
Hochauflösende Mikroskopie unter Nutzung von molekularen Kalzium-Biosensoren in Pflanzen ermöglichte die Entdeckung der Kalziumsignale. Diese Biosensoren machen Veränderungen in den Konzentrationsänderungen bioaktiver Substanzen wie Kalzium in Zellen und Geweben sichtbar. Diese "in vivo Biosensorik"-Studien wurden mit weiteren genetischen, zellbiologischen und biochemischen Methoden kombiniert, um die zugrunde liegenden Mechanismen detailliert aufzuklären.
Federführend wurde die Studie von Prof. Dr. Jörg Kudla und seinem Team vom Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen der WWU durchgeführt. Unterstützung erhielten die münsterschen Wissenschaftler von Kolleginnen und Kollegen der China Agricultural University in Peking, der Universität Valencia (Spanien) und des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam.
Förderung
Die Arbeit erhielt finanzielle Unterstützung durch ein gemeinsam von der National Natural Science Foundation of China und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Forschungsprojekt sowie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Universität Münster