Münster (ukm/aw). Marie Fuchs ist 99 Jahre alt. Die Sendenerin führt ihren eigenen Haushalt und bekommt dabei ab und zu die Unterstützung ihrer Tochter, die einige hundert Meter entfernt wohnt. Als bei der Patientin im Sommer aufgrund einer Verengung der Herzklappe per Katheter eine Aortenklappenprothese implantiert wurde (TAVI), schien zunächst alles gut und sie bekam bei körperlicher Belastung wieder gut Luft. Doch nach dem Herzklappen-Eingriff traten beim Gehen krampfartige Schmerzen in der linken Wade auf, weswegen die alte Dame kaum noch laufen konnte. Die Ärzte stellten einen Verschluss der Oberschenkelarterie als die Ursache fest.
Wer Marie Fuchs sieht, kann nicht umhin, ein wenig bezaubert zu sein: Die 99-Jährige – im schicken Kostüm ganz in altrosé – wirkt trotz ihres hohen Alters äußerst wach und hat auf jede Frage eine schelmische Antwort auf den Lippen. Das ist umso erstaunlicher, weil sie noch im Spätsommer praktisch nur noch über eine Distanz von wenigen Metern laufen konnte. „Ich sitze eh lieber“, lächelt Marie Fuchs augenzwinkernd, aber ihre Tochter, Dr. Constanze Büdenbender, selbst Fachärztin der Inneren Medizin, sieht das naturgemäß anders: „Meine Mutter konnte direkt nach der Herzklappenoperation noch etwa 500 Schritte laufen. Das wurde aber sehr schnell dramatisch weniger, am Ende schaffte sie nur noch zwischen 60 und 80 Schritten mit langen Pausen dazwischen. Außerdem klagte sie über Schmerzen im linken Bein, von der Wade bis hoch zur Leiste“. Die Ultraschall-Untersuchung zeigte deutlich den kompletten Verschluss der Oberschenkelarterie.
Dr. Nasser Malyar, Leiter der Sektion Angiologie in der Klinik für Kardiologie I, Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Angiologie am UKM (Universitätsklinikum Münster) kennt die Symptome der arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK), im Volksmund oft „Schaufensterkrankheit“ genannt. Prinzipiell ist sie minimal-invasiv gut per Katheter zu behandeln: Das Gefäß wird mit einem Draht und einem Ballon wieder durchlässig gemacht und gegebenenfalls durch das Einsetzen einer Gefäßstütze (Stent) offengehalten. „Allerdings: Je älter die Patientin oder der Patient, desto genauer muss abgewogen werden, ob eine Behandlung wirklich angezeigt ist, da mit zunehmendem Alter auch die eingriffsbedingten Komplikationen steigen“, so Malyar. „Als Arzt muss ich abwägen, wie hoch das Risiko eines Eingriffs im Vergleich zum erwartenden Nutzen ist. In weit fortgeschrittenen Stadien dieser Erkrankung – zum Beispiel mit Wunden infolge einer Mangeldurchblutung, die dann ein großes Risiko einer Amputation nach sich ziehen – ist ein solcher Eingriff immer angezeigt. Sind im Anfangsstadium nur Beschwerden beim Gehen vorhanden, ist das Gehtraining, eventuell in Kombination mit Medikamenten, die Therapie der Wahl.“ Malyar riet daher zunächst von einem Kathetereingriff ab und empfahl der Patientin Gehtraining.
Weil Marie Fuchs‘ Gang nach Schilderung ihrer Tochter aber im Laufe der Wochen immer beschwerlicher wurde und auch Gehtraining nicht mehr möglich war, fasste sich Malyar doch ein Herz und führte bei Fr. Fuchs den Kathetereingriff schließlich durch. „In Frau Fuchs‘ Fall war die verschlossene Arterie extrem verkalkt. Wir konnten sie bei dem Eingriff nur mit speziellen Drähten und Ballons freibekommen. Andererseits war der älteste von mir je behandelte Patient betagte 101 Jahre alt. Man sollte die Frage einer Operation, insbesondere wenn es sich um eine minimal-invasiven Technik handelt, nicht am numerischen Alter festmachen, sondern unbedingt am Gesamtzustand der Betroffenen.“
Der ist bei der 99 Jahre jungen agilen Patientin augenscheinlich gut. Sie kann wieder gehen, spielt zuhause Klavier und rezitiert auswendig Gedichte. „Ich nehme an, es ist gut, wenn man noch ein Instrument spielt. Wer rastet, der rostet“, lächelt sie. Die Chancen, dass das Beingefäß offenbleibt, sind gut. „Ich bin dankbar, dass ich wieder mehr Freiraum habe und nun wieder meine Tochter in ihrem Haus besuchen kann“, fügt Marie Fuchs leise hinzu.
Fotos (UKM/Wibberg): Der Angiologe Dr. Nasser Malyar erklärt der 99 Jahre alten Patientin Marie Fuchs und deren Tochter, Dr. Constanze Büdenbender, wie er bei dem minimal-invasiven Eingriff vorgegangen ist.
Universitätsklinikum Münster (UKM)