Das erste Flüssiggas für Deutschland soll in wenigen Wochen fließen: In Wilhelmshaven wurde am Dienstag die erste Anlegestelle für Spezialschiffe mit Flüssiggas (LNG) in Deutschland eingeweiht. Zum Jahreswechsel soll dort die "Hoegh-Esperanza" festmachen; diese sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FRSU) nimmt Flüssigerdgas von Tankern auf und macht es an Bord wieder gasförmig. Anschließend wird das Gas ins Versorgungsnetz eingespeist und über Pipelines weiterverteilt.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) betonte bei der Einweihung am Dienstag, der neue Anleger sei nur 194 Tage nach dem ersten Rammschlag fertiggestellt worden. "Verzögerungen durch äußere Gegebenheiten wie Wettereinflüsse durch die Hochwasser- und Sturmsaison sind glücklicherweise nicht eingetreten", erklärte das für den Bau zuständige Unternehmen Niedersachsen Ports. Alle Materialien und Baugeräte seien "jederzeit lieferbar" gewesen.
Für den Anleger wurden 194 Pfähle in den Meeresboden gerammt, dann wurden die Plattform und die Zugangsstege aus Beton und Stahl eingesetzt. Spezialschiffe von bis zu 150 Tonnen können nun in Wilhelmshaven anlegen. Die "Hoegh-Esperanza" wird nach Angaben eines Sprechers von Minister Lies in Spanien "voll beladen", bevor sie dann in Wilhelmshaven vertäut wird und dort künftig als "Gasfabrik" festliegt.
Hintergrund des Projekts sind die Bemühungen Deutschlands, sich nach der lange sehr großen Abhängigkeit von Russland bei den Quellen für die Gasversorgung breiter aufzustellen. Bisher gibt es hierzulande noch keine LNG-Terminals; Flüssiggas kommt über Einspeisepunkte etwa in Frankreich oder den Niederlanden nach Deutschland.
Insgesamt fünf LNG-Terminals hat das Bundeswirtschaftsministerium bereits angemietet - zwei für Wilhelmshaven, eins für Brunsbüttel, das ebenfalls zum Jahreswechsel an den Start gehen soll, eins für Stade und eins für Lubmin an der Ostsee. Private Betreiberunternehmen arbeiten zudem an einem weiteren LNG-Terminal in Lubmin, sie wollen schon im Dezember das erste Gas liefern.
Die staatlichen FRSU sollen jährlich mindestens je fünf Milliarden Kubikmeter Gas liefern. Zum Winter 2023/2024 sollen laut Bundeswirtschaftsministerium so insgesamt mindestens 25 Milliarden Kubikmeter Gas über die staatlichen LNG-Terminals geliefert werden - dazu 4,5 Milliarden Kubikmeter über das private Terminal in Lubmin. Damit könne allein aus den FRSU der bisherige Gasbedarf Deutschlands (2021: 90,5 Milliarden Kubikmeter) zu etwa einem Drittel gedeckt werden.
Wirtschaftsminister Lies erklärte am Dienstag, der Anleger in Wilhelmshaven sei "ein großer Schritt für mehr Versorgungssicherheit". Die frühzeitige Entscheidung, Wilhelmshaven als Drehscheibe für LNG-Importe zu wählen, sei richtig gewesen. Die bereits vorhandene Hafeninfrastruktur sowie "hervorragende Rahmenbedingungen" hätten dazu beigetragen, dass das Projekt zu einer "Erfolgsgeschichte" geworden sei.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr erklärte, mit dem Bau des niedersächsischen LNG-Terminals "haben wir bewiesen, dass Deutschland sehr wohl in der Lage ist, Großprojekte in kürzester Zeit umzusetzen". Die "Ampel" habe dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen. Für künftige Projekte gelte: "Wilhelmshaven muss die Blaupause für Planungsbeschleunigung werden."
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hob hervor: "Deutschland kann schnell sein und mit hoher Entschlossenheit Infrastrukturprojekte voranbringen, wenn Bund und Länder und die Projektbeteiligten an einem Strang ziehen." Der Minister hat mehrfach zugesichert, dass die neue Infrastruktur "immer wasserstofffähig" gebaut werde. In Zukunft sollen so auch aus erneuerbaren Energiequellen produzierter Wasserstoff an Land gebracht werden.
ilo/pw © Agence France-Presse
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