(upm) In landwirtschaftlich genutzten Chemikalien sowie in Pharmazeutika und in verschiedenen Materialien kommen häufig Pyridine als sogenannte funktionelle Einheiten vor, die die chemischen Eigenschaften der Stoffe maßgeblich bestimmen. Pyridine gehören zu den ringförmigen Kohlenstoff-Wasserstoff- (C-H-) Verbindungen („Heterocyclen“) und enthalten ein Stickstoffatom (N).
Für Chemiker ist die direkte Funktionalisierung der Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen (C-H-Bindungen) von Pyridinen ein unkomplizierter Ansatz zur Konstruktion und Veränderung komplexer Moleküle, auch im Endstadium der Synthesesequenz. Letzteres bedeutet: Man kann Wirkstoffe somit chemisch modifizieren, ohne sie neu aufbauen zu müssen. Die Funktionalisierung des Pyridins in einer bestimmten Position im Verhältnis zum Stickstoffatom, nämlich in der – schwer zugänglichen – „Meta-Position“, ist äußerst herausfordernd und selten.
Wissenschaftler um Prof. Dr. Armido Studer vom Organisch-Chemischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben eine neue Strategie entwickelt, um verschiedene funktionelle Gruppen in die Meta-Position von Pyridinen einzubringen. Diese Studie wurde nun in der Zeitschrift „Science“ veröffentlicht.
Die Chemiker nutzen hierbei eine temporäre Dearomatisierung des Pyridins. So werden seine elektronischen Eigenschaften umgekehrt und es entsteht ein stabiles Zwischenprodukt, ein Dienamin. Durch radikalische und polare Chemie können die Forscher mit hoher Selektivität viele Fluoralkane sowie eine Reihe von „elektronenarmen Substituenten“ (Elektrophilen) in die Meta-Position des Dienamins einführen. Diese Transformationen schließen medizinisch und agrochemisch relevante Funktionalitäten wie Trifluormethyl- und Halogengruppen ein. „Wichtig ist, dass die funktionalisierten Dienamin-Zwischenprodukte unter sauren Bedingungen leicht zu meta-funktionalisierten Pyridinen rearomatisiert werden“, erklärt Dr. Hui Cao, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe Studer.
Sein Kollege Dr. Qiang Cheng ergänzt: „Die hohe Effizienz, der breite Anwendungsbereich und die Meta-Selektivität unseres Ansatzes ermöglichen die Funktionalisierung von zwölf verschiedenen Medikamenten.“ Darüber hinaus entwickelte das Team Prozesse, bei denen Arzneimittel in sogenannten Eintopfreaktionen, die mit wenig Aufwand in einem einzigen Reaktionsgefäß stattfinden, direkt in Trifluormethyl- und chlorsubstituierte Derivate umgesetzt werden. Dazu setzen die Chemiker günstige und handelsübliche Reagenzien ein. „Unsere Studie bietet eine Antwort auf das ungelöste Problem, das Pyridin in der Meta-Position zu funktionalisieren“, betont Armido Studer. „Wir glauben, dass diese Veröffentlichung die Entwicklung von pyridinhaltigen Medikamenten und organischen funktionellen Materialien stark fördern wird."
Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster