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Schüsse und Schreie in der Stadt

Aktivisten befürchten blutige Niederschlagung von Protesten in Mahabad im Iran

In der Provinz West-Aserbaidschan seien "bewaffnete Truppen" aus Urmia nach Mahabad entsandt worden, teilte die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw am Sonntag mit. Aktivisten werfen der Führung in Teheran eine blutige Repressionskampagne in den Kurdenregionen vor. Vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen mit dem Iran kündigten die USA derweil den Ausbau ihrer Verteidigungs-Infrastruktur im Nahen Osten an.

"In den Wohngebieten von Mahabad" werde "viel geschossen", erklärte Hengaw im Onlinedienst Twitter. Von Hengaw online veröffentliche Aufnahmen zeigen zudem Hubschrauber, die über Mahabad fliegen und Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden transportieren sollen. 

Die ebenfalls in Norwegen ansässige Organisation Iran Human Rights (IHR) (Wikipedia) veröffentlichte in der Nacht zum Sonntag Aufnahmen, in denen ihren Angaben zufolge Schüsse und Schreie in der Stadt zu hören sind. Der IHR-Vorsitzende Mahmood Amiry-Moghaddam erklärte, die Behörden hätten in Mahabad den Strom abgestellt. Zudem seien "Maschinengewehrschüsse zu hören" und es gebe "unbestätigte Berichte über getötete oder verletzte Demonstranten".

In zuvor von Aktivisten veröffentlichten Aufnahmen sind Protestierende in Mahabad zu sehen, die auf der Straße sitzen und Barrikaden errichten - unter anderem nach den Beerdigungen von getöteten Demonstranten. Ladenbesitzer in der gesamten Region würden am Sonntag streiken, um gegen die Gewalt der Sicherheitskräfte zu protestieren, berichtete Hengaw weiter. Die Organisation veröffentlichte zudem Aufnahmen aus der Stadt Sanandadsch in der Nachbarprovinz Kurdistan. Darauf ist zu sehen, wie eine Frau von Sicherheitskräften beschossen wird. 

Hengaw hatte am Samstag bereits vor einer "kritischen" Lage in der Stadt Diwandarreh in der Provinz Kurdistan gewarnt, wo Regierungstruppen mindestens drei Zivilisten erschossen hätten. Am Sonntag äußerte sich die Organisation auch besorgt über die Lage in anderen mehrheitlich von Kurden bewohnten Städten, darunter Bukan und Sakes. Dort hatten die Proteste zuletzt zugenommen. 

Sakes ist der Heimatort von Mahsa Amini. Am Tod der jungen Kurdin hatten sich die seit zwei Monaten andauernde Proteste im Iran entzündet. Die 22-Jährige war Mitte September in Teheran im Krankenhaus gestorben, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen eines angeblich nicht vorschriftsgemäß getragenen Kopftuchs festgenommen worden war. Aktivisten werfen der Polizei vor, Amini misshandelt zu haben.

Teheran geht landesweit hart gegen die Demonstrierenden vor. Insgesamt wurden bei den Protesten nach IHR-Angaben bisher mindestens 378 Menschen getötet, darunter 47 Kinder. 

Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim beschuldigte derweil "Randalierer", in Mahabad "Terror zu verbreiten", indem diese Häuser von Sicherheits- und Militärangehörigen in Brand setzen und Straßen blockieren würden. Laut Tasnim wurden die meisten "Randalierer" verhaftet, getötet wurde angeblich niemand. Die Sicherheit sei wiederhergestellt worden, hieß es. Berichte über einen Generalstreik dementierte Tasnim.

Teheran wirft dem Westen und seinen Verbündeten eine "Destabilisierung" des Iran durch Unterstützung der Protestbewegung vor. Anfang November hatte der Iran die Entwicklung einer Hyperschall-Rakete verkündet und zudem seine rivalisierenden Nachbarländer, darunter Saudi-Arabien, gewarnt, dass er angesichts der Proteste im Land Vergeltungsmaßnahmen ergreifen könnte.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Spannungen mit dem Iran kündigten die USA nun einen Ausbau ihrer Verteidigungs-Infrastruktur in der Golfregion und im Nahen Osten an. Washington konzentriere sich auf die Abwehr "unmittelbar bevorstehender Gefahren" in der strategisch wichtigen und energiereichen Region, erklärte der Koordinator des Nationalen Sicherheitsrats der USA für den Nahen Osten und Nordafrika, Brett McGurk, am Sonntag auf der Sicherheitskonferenz Manama Dialog in Bahrain. Die USA hätten so auch eine Bedrohung durch den Iran abgewendet, sagte er mit Blick auf Berichte, dass der Iran seinen Erzfeind Saudi-Arabien angreifen wollte.

kas/cp

© Agence France-Presse