Trotz eines erhöhten Polizeiaufgebots hat es in China erneut Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei gegeben. In der südchinesischen Großstadt Guangzhou wurden Polizisten laut Videoaufnahmen in der Nacht zum Mittwoch mit Gegenständen beworfen. Es gab mehrere Festnahmen. Die Nachricht vom Tod von Chinas Ex-Staatschef Jiang Zemin verknüpften Staatsmedien mit einem Verweis auf dessen damalige Grundsatzentscheidung, zum Schutz der "sozialistischen Staatsmacht" gegen "Unruhen" vorzugehen.
Chinas strikte Null-Covid-Politik und die damit verbundenen Lockdowns haben eine landesweite Protestwelle ausgelöst. Mittlerweile richten sich die Proteste auch gegen Staatschef Xi Jinping. Es ist die größte Protestbewegung seit den Demokratie-Protesten 1989 auf dem Pekinger Tiananmen-Platz, den die kommunistische Führung blutig niedergeschlagen hatte.
In Guangzhou gingen in der Nacht zum Mittwoch Menschen auf die Straße. Mit transparenten Schilden ausgerüstete Sicherheitskräfte rückten aber in einer Kette gegen die Demonstranten vor. Auf im Internet verbreiteten Videos, die von der Nachrichtenagentur AFP verifiziert wurden, waren Menschen im Stadtbezirk Haizhu zu sehen, welche die Polizisten mit Gegenständen bewarfen.
Auf den Straßen waren in den Videos blaue und orangefarbene Barrikaden zu sehen. Menschen schrien und später wurden den Videos zufolge fast ein Dutzend Männer mit gefesselten Händen abgeführt.
Aus Haizhu mit seinen mehr als 1,8 Millionen Einwohnern ist der Großteil der Corona-Fälle von Guangzhou gemeldet worden. Große Bereiche des Bezirks sind seit Ende Oktober im Lockdown. In der Stadt hatten Demonstranten diesen Monat bereits Straßensperren durchbrochen.
Am Wochenende gab es unter anderem in Shanghai, Peking und Wuhan Proteste. Diese Woche verhinderte offenbar ein massives Polizeiaufgebot weitere Kundgebungen in Peking und Shanghai. In anderen Städten fanden auch noch am Montag und Dienstag Proteste statt.
In der Sonderverwaltungszone Hongkong gab es ebenfalls kleinere Protestkundgebungen. Demonstranten riefen am Dienstag Slogans wie "Gebt mir Freiheit oder gebt mir den Tod". "China sollte verschiedene Stimmen zulassen", sagte eine Demonstrantin.
Hongkongs (Wikipedia) Sicherheitschef Chris Tang warnte am Mittwoch Teilnehmer der Proteste, damit gegen Hongkongs sogenanntes Sicherheitsgesetz zu verstoßen. "Viele Menschen sagen, es passiert nichts, wenn man nur ein Blatt Papier hoch hält (...), aber sie spielen den Ernst bewusst herunter", sagte Tang. Es gehe den Demonstranten darum, "die Regierung zu stürzen". Umsturzversuche können in Hongkong mit lebenslanger Haft bestraft werden.
Die Kommission für politische und juristische Angelegenheiten von Chinas Kommunistischer Partei, welche die Sicherheitskräfte des Landes beaufsichtigt, erklärte am Dienstag, "kriminelle Handlungen", die auf die Störung der öffentlichen Ordnung abzielten, müssten "entschieden" verfolgt werden.
Auch die Nachricht vom Tod von Chinas langjährigem Präsidenten Jiang wurde genutzt, um Maßnahmen gegen Proteste zu rechtfertigen. Im Zuge der Tiananmen-Proteste 1989 habe Jiang "die korrekte Entscheidung des Zentralkomitees der Partei unterstützt und umgesetzt, gegen Unruhen vorzugehen" und "die sozialistische Staatsmacht zu verteidigen", betonte der Staatssender CCTV.
yb/ju © Agence France-Presse