Der wegen Korruptionsvorwürfen festgenommenen griechischen EU-Abgeordneten Eva Kaili (Wikipedia) sind alle Befugnisse in ihrer Funktion als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments entzogen worden. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (Wikipedia) entzog der 44-Jährigen "mit sofortiger Wirkung alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben" als ihre Stellvertreterin, wie eine Sprecherin Metsolas am Samstagabend mitteilte. Es besteht der Verdacht, dass Katar mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versucht haben soll, die Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen.
Zuvor hatte Metsola im Onlinedienst Twitter erklärt, das Parlament sei "entschieden gegen Korruption" und tue alles, um "Gerechtigkeit walten zu lassen".
Am Freitag waren in Brüssel insgesamt fünf Menschen wegen des Verdachts der "bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche" festgenommen worden. Zu ihnen zählten Kaili, eine der 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments, sowie ihr ebenfalls im EU-Parlament tätiger Lebensgefährte.
Kailis griechische sozialistische Pasok-Partei hatte bereits am Freitagabend erklärt, die Politikerin sei "aus der Partei ausgeschlossen" worden. Am Samstag gab dann die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament bekannt, dass Kailis Mitgliedschaft suspendiert worden sei.
EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley (SPD), die nach dem Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe den Rücktritt ihrer Kollegin Kaili gefordert hatte, begrüßte die schnelle Reaktion von Kailis Partei Pasok. Auch die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament habe "sofort reagiert", lobte sie. "Wir tolerieren keine Korruption. Korruption ist Gift für die Demokratie", sagte die SPD-Politikerin in den ARD-"Tagesthemen" am Samstag. Barley und Kaili gehören beide der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament an.
Die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament forderte indes eine umfassende Untersuchung der Korruptionsvorwürfe. "Wir werden nicht akzeptieren, dass es so weitergeht", erklärte die Fraktion. "Wir müssen unsere Regeln verschärfen, damit so etwas nicht noch einmal passieren kann." Auch der Direktor von Transparency International, Michiel van Hulten, kritisierte eine "Kultur der Straflosigkeit" im Parlament sowie laxe Finanzvorschriften und Kontrollen und sagte, es sei "Zeit für eine grundlegende Reform" im Europäischen Parlament.
Nach Informationen der belgischen Zeitung "L'Echo" hatten die Ermittler "mehrere Säcke voller Geldscheine" in Kailis Wohnung gefunden. Die Polizei veranlasste demnach die Durchsuchung der Räumlichkeiten, nachdem sie Kailis Vater mit einer großen Menge Bargeld in "einem Koffer" angetroffen hatte.
Bei den Razzien beschlagnahmte die Polizei laut belgischer Bundesstaatsanwaltschaft Bargeld in Höhe von rund 600.000 Euro sowie Datenträger und Mobiltelefone, die nun ausgewertet würden. Am Samstag wurden die fünf Beschuldigten nach Angaben eines Sprechers der Ermittlungsbehörde in Brüssel weiter vernommen.
Zu dem in den Korruptionsfall involvierten Land teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass es sich um einen "Golfstaat" handele. Dieser stehe im Verdacht, "wirtschaftliche und politische Entscheidungen des europäischen Parlaments zu beeinflussen", indem er "beträchtliche Geldsummen zahlt oder erhebliche Geschenke macht".
Mit den Ermittlungen vertraute Kreisen bestätigten der Nachrichtenagentur AFP Medienberichte, wonach es sich bei dem Golfstaat um Katar handele. Ein katarischer Regierungsbeamter sagte auf AFP-Anfrage, seinem Land seien "keine Details über eine Untersuchung bekannt". Jegliche "Behauptung eines Fehlverhaltens des Staates Katar" sei unzutreffend.
Die ehemalige Fernsehmoderatorin Kaili hatte am 22. November im EU-Parlament gesagt, die Fußballweltmeisterschaft in Katar sei "ein konkreter Beweis dafür, wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Katar sei "führend bei den Arbeitsrechten". Kurz vor der Rede hatte sich Kaili in Katar mit dem katarischen Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri getroffen.
kbh Matthieu DEMEESTERE / © Agence France-Presse