Angesichts der Lieferschwierigkeiten bei Fiebersaft und anderen Arzneien insbesondere für Kinder werden Rufe nach staatlichen Sofortmaßnahmen laut. "Es ist ein Armutszeugnis, dass so simple Medikamente wie ein Fiebersaft häufig nicht mehr verfügbar sind", sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach (Seite), der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf vom Donnerstag.
Auch der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge (Wikipedia) forderte eine staatliche Offensive zum Kauf von Kindermedikamenten.
Eine Welle von Atemwegserkrankungen erfasst derzeit Kinder. Dies führt Fischbach zufolge zu einer sehr hohen Nachfrage nach fiebersenkenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol. Fischbach berichtete von "verzweifelten Eltern" in den Praxen. "Es gibt zu wenige Anbieter solcher Mittel, weil die Festpreisregelung bei uns zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohnländer wie Indien und China geführt hat", sagte er. Dort gebe es nun Lieferkettenprobleme, was wiederum zu Lieferengpässen führe.
Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgestellten Pläne für Gesetzesänderungen kämen zu spät, kritisierte der Verbandspräsident. "Wir brauchen jetzt eine von der Politik angeschobene Beschaffungsaktion, um wie zu Beginn der Coronapandemie in einer Notlage schnell an Fiebersaft, bestimmte Antibiotika und andere selten gewordene Präparate für kleine Kinder zu kommen."
Auch der CDU-Gesundheitspolitiker Sorge forderte eine staatliche Offensive zum Kauf von Kindermedikamenten. "Noch vor Jahresende muss es einen Beschaffungsgipfel von Bund und Ländern geben, in dem Sofortmaßnahmen für diesen Winter koordiniert werden", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion dem Nachrichtenportal t-online. Der Gesundheitsminister müsse sich "schnellstens" mit Ländern, Herstellern sowie Großhändlern abstimmen, sich auch bei Nachbarländern um übergangsweise Lieferungen bemühen und so rasch wie möglich einen Planungs- und Beschaffungsstab einrichten.
Lauterbach bekräftigte, dass gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln nicht nur für Kinder vorgegangen werde. Nächste Woche solle eine entsprechende Gesetzesinitiative vorgestellt werden, bei der es um kurzfristige Maßnahmen gehe. Er sicherte zudem den teils überfüllten Kinderarztpraxen und Kinderstationen in Kliniken Unterstützung zu. Die Budgets würden ausgesetzt, zusätzliche Leistungen der Kinderärzte würden bezahlt.
Sollten die Maßnahmen nicht ausreichen, könnten planbare Eingriffe für Erwachsene ausgesetzt werden, um die Versorgung von Kindern zu sichern. "Wir werden es nicht zulassen, dass die Kinder, die in der Corona-Pandemie (Wikipedia) so viel aufgegeben haben, jetzt nicht die Versorgung bekommen, die sie brauchen", sagte Lauterbach in Berlin.
Wegen der großen Auslastung der Kinderarztpraxen verlängerte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Zeitraum für die Vorsorgeuntersuchungen U6 bis U9 für ein- bis sechsjährige Kinder. Die verschobenen Früherkennungsuntersuchungen können bis zum 30. Juni nächsten Jahres nachgeholt werden.
Fischbach sieht in den strikten Maßnahmen während der Corona-Pandemie einen Hauptgrund für die aktuelle Krankheitswelle. "Bis zum Alter von zwei Jahren hatten normalerweise circa 80 Prozent der Kinder Kontakt mit dem RS-Virus", sagte er der "Bild"-Zeitung. Wegen der Kontaktverbote und Masken sei dies ausgeblieben. "Dadurch haben sich ganze Jahrgänge aufgestaut, die jetzt reihenweise erkranken." Insbesondere für kleine Kinder sei das gefährlich, für frühgeborene und vorerkrankte Kinder sogar lebensgefährlich.
hex/bk © Agence France-Presse