Streit vor der Eröffnung des ersten deutschen Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven:
Während Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) von einem Meilenstein für die Versorgungssicherheit sprach, kündigten Umweltschützer rechtliche Schritte wegen der "Einschränkung von Beteiligungs- und Umweltrechten" an. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte seinerseits vor übertriebener Euphorie: Die Gefahr einer Gasmangellage sei auch mit dem neuen Terminal noch nicht gebannt.
"Dass das neue Importterminal in Wilhelmshaven startet, ist ein ganz entscheidender Schritt für die Versorgungssicherheit in Deutschland", sagte Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Jetzt folgen schon rasch weitere Terminals in Brunsbüttel und Lubmin, ebenfalls noch für diesen Winter." Habeck rief aber weiter zu Sparsamkeit beim Gasverbrauch auf. "Es bleibt wichtig, sorgsam mit dem knappen Gut Gas umzugehen, auch wenn es kalt ist."
Den Vorwurf von Klimaschützern, Deutschland schaffe Überkapazitäten beim Gas und verbaue sich den Weg zu den Klimazielen, wies der Wirtschaftsminister zurück. "Mit den jetzt fest eingeplanten schwimmenden Terminals nähern wir uns im nächsten Winter 23/24 den bisherigen russischen Gasmengen an, erreichen diese aber noch nicht", sagte er. Außerdem werde bei der Leitungsinfrastruktur der Umstieg auf Wasserstoff mitgeplant.
Der Minister verteidigte auch die Kostensteigerungen bei den Flüssiggasterminals. "Wir bauen mit den LNG-Terminals (Wikipedia) eine komplett neue Infrastruktur in Deutschland auf. Die sei auch für die Versorgungssicherheit in Europa wichtig. Habeck dämpfte zugleich Hoffnungen auf rasch sinkende Energiepreise. "Mitten in der Krise Ersatz am Weltmarkt zu beschaffen, ist teuer. Und es wird auch noch eine Weile dauern, bis die Preise wieder sinken, wenn auch nicht auf das Niveau wie 2021."
Das Flüssiggasterminal wird am Samstagvormittag im Beisein von Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) eröffnet. Über das Terminal sollen jährlich rund sechs Prozent des deutschen Gasbedarfs ins Netz eingespeist werden.
Nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wurde für die "schnelle und medienwirksame Eröffnung" eine bisher "einzigartige Einschränkung von Beteiligungs- und Umweltrechten in Kauf genommen". Die Umweltschützer kritisierten auch die unbefristete Betriebsgenehmigung des Terminals durch die niedersächsischen Behörden - "obwohl zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits der deutsche Ausstieg aus Erdgas bereits geplant werden muss". Nicht zuletzt sei die Einleitung großer Mengen Biozid erlaubt worden, das gehöre aber verboten. All das werde die DUH "notfalls auch mit rechtlichen Mitteln durchsetzen", erklärte die Organisation.
Habeck zeigte sich in den ARD-Tagesthemen überzeugt, dass die Genehmigung für die Terminals Klagen standhalten würde. "Wir agieren unter höchstem Druck, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten." Das bedeute, dass bei Beteiligungsprozessen "wir manchmal Verfahren einkürzen müssen", sagte der Minister. Das könne man nicht so gut finden, die Konsequenz aber wäre "ein Winter in Gasmangellage".
Auch "mit dem neuen Terminal ist die Gefahr einer Gasmangellage noch längst nicht gebannt", warnte allerdings BDI-Präsident Siegfried Russwurm. "Damit die Energieversorgung in Deutschland sicher bleibt, ist die zügige Inbetriebnahme der weiteren geplanten Terminals unabdingbar", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zudem bleibe es "unerlässlich, dass Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger weiterhin Gas einsparen".
Das für das Terminal benötigte Spezialschiff "Höegh Esperanza" war am Donnerstag in Wilhelmshaven angekommen. Die sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU) nimmt verflüssigtes Gas (LNG) von Tankern auf und wandelt es noch an Bord in Gas um. Dann kann es ins Netz eingespeist werden.
Die Bundesregierung hat die "Höegh Esperanza" gechartert. Der Uniper-Konzern betreibt das LNG-Terminal im Auftrag des Staates gemeinsam mit Partnerunternehmen. Neben dem Standort Wilhelmshaven hat die Regierung vier weitere schwimmende Flüssiggasterminals angemietet. Hinzu kommt ein privatwirtschaftliches Projekt in Lubmin.
jes AFP