Kurz vor dem geplanten Ende der Weltnaturkonferenz im kanadischen Montréal am Montag warnen Umweltschutzorganisationen vor einem Scheitern der Verhandlungen. Die Zeit für ein globales Abkommen, das "den Verlust unserer Arten und Lebensräume aufhält und umkehrt", verrinne "immer schneller", erklärte der Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Jörg-Andreas Krüger. Am Samstag kündigte Deutschland eine Initiative an, die die festgefahrenen Gespräche in Gang bringen soll.
Ziel der Weltnaturkonferenz ist ein Abkommen zur Biodiversität, das ähnlich bedeutend ist wie das 2015 abgeschlossene Pariser Klimaabkommen. Die Zeit drängt: 70 Prozent der Ökosysteme der Welt sind geschädigt, größtenteils aufgrund menschlicher Aktivitäten. Mehr als eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Auf dem Spiel steht auch die wirtschaftliche Zukunft der Menschheit. Mehr als die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung hängt einer Berechnung des Weltwirtschaftsforums zufolge von der Natur ab.
Am Freitag schlugen große globale Umweltverbände vor Journalisten in Montréal Alarm: Die Zeit für ein Weltnaturabkommen werde knapp, ein Scheitern sei keine Option. Die Umweltminister müssten "jetzt aufeinander zugehen, um den Gesamterfolg der Verhandlungen nicht zu gefährden", erklärte Nabu-Präsident Krüger.
Eine entscheidende Streitfrage ist, ob die Industriestaaten ihre finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer auf ein Niveau erhöhen, das es letzteren ermöglicht, bis 2030 die 20 ehrgeizigen Umweltschutzziele zu erreichen, die in Montréal zur Debatte stehen. So sollen etwa 30 Prozent der Land- und Meeresfläche der Erde zu Schutzgebieten werden.
Zur Lösung dieses Problems soll eine Initiative beitragen, deren Start das deutsche Umweltministerium am Samstag bekanntgab. Mit ihr sollen Entwicklungsländer dabei unterstützt werden, ihre nationale Umweltpolitik an die globalen Umweltschutzziele anzupassen. Deutschland werde die gemeinsam mit Kolumbien und anderen Staaten auf den Weg gebrachte Partnerschaft mit 29 Millionen Euro unterstützen, erklärte das Umweltministerium.
Dies sei "eine unverzichtbare Investition in unsere gemeinsame Zukunft und die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen", betonte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Deutschland arbeite mit seinen Partnern an einer "Trendwende gegen die Naturzerstörung", erklärte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Entwicklungsministerium. Biologische Vielfalt sei eine "Lebensversicherung für die gesamte Menschheit".
Brasilien, eines der diplomatischen Schwergewichte auf der Konferenz, fordert zusammen mit Indien, Indonesien und afrikanischen Staaten finanzielle Unterstützung in Höhe von mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr seitens der reicheren Länder. Das wäre das Zehnfache der derzeitigen Summe, die zur Stärkung der Biodiversität aus Industrie- in Entwicklungsländer fließt - und entspräche den zugesagten, aber noch nicht vollständig ausgezahlten 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen die Erderwärmung.
Die UN-Biodiversitätskonferenz in Montréal hatte Mitte vergangener Woche begonnen. In der Schlussphase schalteten sich Umweltministerinnen und -minister aus zahlreichen der fast 200 beteiligten Staaten in die Verhandlungen ein.
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