"Soll ich als Chef von Twitter zurücktreten? Ich werde mich an die Ergebnisse dieser Umfrage halten", so hatte Musk die von ihm selbst initiierte Online-Umfrage formuliert. Die Nutzer konnten mit Ja oder Nein abstimmen.
Zunächst war unklar, ob es sich um einen Werbegag oder ein Ablenkungsmanöver handelte oder ob Musk tatsächlich zurücktreten wollte. Selbst wenn er seinen Chefposten aufgäbe, bliebe er freilich weiter Eigentümer des Unternehmens.
Musk reagierte zunächst nicht öffentlich auf das Ergebnis. Zuvor hatte das Unternehmen mit geänderten Richtlinien erneut Kritik auf sich gezogen. Nutzer sollten nicht mehr auf konkurrierende Plattformen wie Facebook und Mastodon verweisen dürfen, was einen Sturm von Kritik auslöste. Wenige Stunden später schien Musk die Kriterien erneut ändern zu wollen. "Tut mir Leid. Passiert nicht wieder", schrieb er auf Twitter.
Das jüngste Link-Verbot war eine von mehreren teils heftig umstrittenen Neuerungen seit der Übernahme des Onlinedienstes für 44 Milliarden Dollar (rund 41 Milliarden Euro) durch Musk in diesem Jahr.
Der Multimilliardär, dem auch der Autohersteller Tesla und das Weltraumunternehmen SpaceX gehören, gibt sich gerne als Vorreiter im Kampf für die Redefreiheit. Den Kauf von Twitter hatte er unter anderem damit begründet, eine angebliche Zensur auf der Plattform beenden zu wollen.
Später sperrte er selber allerdings die Nutzerkonten mehrerer US-Journalisten, die über einen US-Studenten berichtet hatten, der die Flüge von Musks Privatjet dokumentiert hatte. Der Multimilliardär warf den Journalisten vor, die "Koordinaten für ein Attentat" gegen ihn und seine Familie geliefert zu haben.
Nach der Übernahme von Twitter hatte Musk erst das Spitzenmanagement und dann rund die Hälfte der Belegschaft entlassen. Er schaltete das gesperrte Nutzerkonto des früheren US-Präsidenten Donald Trump wieder frei und wollte eine Art kostenpflichtiges Abonnement einführen, das er nach einer Flut falscher Konten wieder stoppen musste.
"Werbekunden laufen reihenweise weg und lassen Twitter in den roten Zahlen", sagte der Analyst Dan Ives von Wedbush. Das Unternehmen sei auf dem Weg, jährlich einen Verlust von vier Milliarden Dollar einzufahren.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen hatte Musks Vorgehen als "Katastrophe für das Informationsrecht" bezeichnet und vor einer "großen Gefahr für die Demokratie" gewarnt. Immer mehr Nutzer erklären ihren Abschied von Twitter und wandern zu konkurrierenden Angeboten ab.
Kritiker befürchten, dass Hassbotschaften, Falschinformationen, Verschwörungstheorien und rechtsextreme Inhalte sich zunehmend unkontrolliert auf Twitter verbreiten könnten. "Diejenigen die Macht wollen, verdienen sie am wenigsten", lautete Musks jüngste Nachricht auf Twitter, die er noch vor Ende der Umfrage veröffentlicht hatte.
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Julie CHABANAS / © Agence France-Presse