Der Fachkräftemangel in Deutschland hat trotz der Ukraine-Krise weiter zugenommen. "Fast jedes zweite Unternehmen klagt über fehlendes Fachpersonal", erklärte die Förderbank KfW (Seite) am Dienstag. Dem gemeinsam mit dem Ifo-Institut erstellten KfW-Fachkräftebarometer zufolge hat sich das Problem trotz eingetrübter Konjunkturerwartungen und daher sinkender Arbeitskräftenachfrage im Jahresvergleich verstärkt.
Demnach erleben derzeit 45,7 Prozent der Unternehmen in Deutschland eine Behinderung ihrer Geschäftstätigkeit durch fehlendes Fachpersonal. Durch die wirtschaftliche Abschwächung hat sich das Problem gegenüber dem dritten Quartal zwar leicht abgeschwächt, nicht jedoch im Vergleich zum Vorjahr.
Betroffen sind laut KfW alle Wirtschaftszweige, vor allem aber der Dienstleistungssektor. Hier klagten 48,2 Prozent der Betriebe über fehlendes Fachpersonal. Im verarbeitenden Gewerbe sind es 42,1 Prozent, im Handel 37,6 Prozent und im Bausektor 37,0 Prozent.
"Die deutsche Wirtschaft befindet sich aktuell am Rande einer Rezession. Dennoch stellen zahlreiche Unternehmen weiter ein", erklärte die Förderbank. Demnach waren im November bei der Bundesagentur für Arbeit weiterhin erheblich mehr offene Stellen gemeldet als vor Beginn der Corona-Krise. Die Zeit, die es durchschnittlich dauert, bis eine offen gemeldete Stelle besetzt wird, ist seit 2010 von zwei auf fünf Monate angestiegen.
Arbeitslose kommen wegen mangelnder Qualifikation häufig nicht ohne Weiteres in Frage, um die Lücke zu schließen: "Die Hälfte von ihnen ist lediglich als Helfer qualifiziert und bräuchte für 80 Prozent der gemeldeten offen Stellen erst eine Berufsausbildung", erklärte die KfW.
"Deutschland steht vor einem demografischen Strukturwandel von historischer Dimension", erklärte die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib. "Ohne zügiges und ausreichendes Gegensteuern wird die Fachkräfteknappheit daher weiter zunehmen." Notwendig seien eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, älteren Menschen und Arbeitslosen sowie gezielte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt.
pe/bk © Agence France-Presse