Den gesamten Silvestertag und bis in die Nacht hinein griff die russische Armee die Ukraine aus der Luft an. Laut ukrainischen Behörden wurden dabei am Samstag in der Hauptstadt Kiew sowie in der südlichen Region Cherson insgesamt drei Menschen getötet. Zudem habe es rund 50 Verletzte gegeben. Bei einem Angriff in der südukrainischen Region Saporischschja wurde am Sonntag nach Behördenangaben ein weiterer Mensch getötet.
In seiner emotionalen Rede zollte Selenskyj seinen Landsleute großen Respekt. "Ich will Euch allen sagen: Ukrainer, Ihr seid unglaublich." "Jeder von uns ist ein Kämpfer", fuhr der Präsident fort. Die Ukrainer kämpften "als ein Team - das ganze Land, alle Regionen."
Selenskyjs Berater Mychailo Podoljak warf der russischen Armee vor, ihre Strategie ziele inzwischen darauf ab, "so viele Zivilisten wie möglich zu töten und mehr zivile Einrichtungen zu zerstören".
Das russische Verteidigungsministerium sprach mit Blick auf die Attacken am Samstag hingegen von Präzisionsangriffen mit Langstreckenraketen auf ukrainische Drohnenfabriken, die die ukrainische Führung in naher Zukunft für "terroristische Angriffe" habe nutzen wollen.
Wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, wurde Kiew am Samstagnachmittag von mehreren Detonationen erschüttert. Eine davon riss ein klaffendes Loch in ein Vier-Sterne-Hotel. Kurz nach dem Jahreswechsel vermeldete Bürgermeister Vitali Klitschko im Onlinedienst Telegram erneute Angriffe. Etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht (Ortszeit, 23.30 Uhr MEZ) trafen russische Geschosse demnach zwei Bezirke von Kiew. "Explosion in der Hauptstadt gehört. Luftabwehr funktioniert", teilte Klitschko mit.
Auch mehrere andere Regionen wurden nach Behördenangaben beschossen. Angriffe mit mehreren Verletzten wurden unter anderem aus der südlichen Region Mykolajiw und aus der Region Chmelnyzkyj im Westen gemeldet.
Viele Ukrainer feierten dennoch Silvester. Wegen der nächtlichen Ausgangssperre veranstalteten sie vielfach Übernachtungspartys. "Unsere Feinde, die Russen, können unsere Ruhe, aber nicht unsere Geisteshaltung zerstören", sagte dazu etwa der 23-Jährige Kiewer Filmemacher Jaroslaw Mutenko der Nachrichtenagentur AFP.
Die ukrainische Luftabwehr erklärte am Sonntag, sie habe in der Neujahrsnacht 45 von Russland abgefeuerte Drohnen iranischer Bauart abgeschossen. Zuvor hatte die ukrainische Armee erklärt, Russland habe 20 Marschflugkörper auf Ziele in der Ukraine abgefeuert, zwölf davon seien abgefangen worden. "Der Kriegsverbrecher Putin 'feiert' Silvester, indem er Leute tötet", schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba im Onlinedienst Twitter.
Der russische Präsident Wladimir Putin hielt nach Angaben des Kreml seine Neujahrsansprache vom Hauptquartier des südlichen russischen Militärdistrikts aus, wo er Soldaten auszeichnete. Darunter war laut russischen Agenturberichten der Kommandeur des Ukraine-Einsatzes, General Sergej Surowikin. Fernsehbilder zeigten Putin mit einem Glas Sekt in der Hand mit Soldaten in Militäruniform.
Russland stehe in dem Konflikt mit der Ukraine "moralisch" und "historisch" auf der richtigen Seite, sagte Putin in seiner Ansprache. Russland kämpfe in der Ukraine dafür, "unser Volk in unseren eigenen historischen Territorien, in den neuen Gebieten der Russischen Föderation zu schützen", fügte er mit Blick auf die von Moskau für annektiert erklärten ukrainischen Regionen hinzu.
Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine meldeten, bei ukrainischen Bombardements sei am Sonntag in Jassynuwata in der Region Donezk ein Zivilist getötet worden. Dort und im benachbarten Makijiwka seien zudem 15 Menschen verletzt worden.
Das russische Verteidigungsministerium verkündete derweil die Einnahme des Dorfes Doroschnyanka in der südukrainischen Region Saporischschja sowie einen Gefangenenaustausch, bei dem 82 russische Soldaten freigekommen seien. Kiew meldete 140 bei dem Austausch freigekommene ukrainische Soldaten.
Die russische Armee hatte in den vergangenen Monaten eine Reihe von Rückschlägen in der Ukraine hinnehmen müssen. Als Reaktion verstärkte sie ihre Luftangriffe, insbesondere auf die Energie-Infrastruktur des Nachbarlandes.
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Robbie COREY-BOULET / © Agence France-Presse