Immer häufiger nutzen Menschen Foren im Internet als erste Anlaufstelle, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren. Die dort verbreiteten wissenschaftlichen Informationen sind jedoch oftmals komplex, sodass Laien den Inhalt vieler Ratschläge nur schwer beurteilen können. Ein Kriterium, nach dem Nutzer die Informationen stattdessen bewerten, ist der Sprachstil – zu diesem Ergebnis kommen Psychologinnen und Psychologen der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU). In einem Online-Experiment vertrauten die Probanden den Autoren in Gesundheitsforen stärker und fanden ihre Empfehlungen glaubhafter, wenn die Beiträge neutral formuliert waren als wenn sie viele positive Adjektive enthielten. Die Studie ist im „Journal of Medical Internet Research“ erschienen.
Hintergrund und Methode:
In einem Online-Experiment zeigten die Wissenschaftler 242 Versuchsteilnehmern unterschiedlich formulierte Beiträge in einem Gesundheitsforum, in denen ein Autor auf Nachfrage einer Frau einschätzte, wie wirksam ein Medikament ist. Je nach Versuchsbedingung lasen die Teilnehmer entweder einen Ratschlag, der viele positive Adjektive wie „hervorragend“ und „exzellent“ enthielt oder einen Hinweis, der neutral formuliert war. Das Ergebnis: Die Probanden bewerteten den Autor des Beitrags, der in einem positiven Sprachstil verfasst war, als weniger vertrauenswürdig. Sie schrieben ihm weniger Wohlwollen und Integrität, dafür mehr manipulative Absichten zu. Auch seinen Ratschlag fanden sie weniger glaubhaft als in einem neutral formulierten Beitrag.
Der berufliche Hintergrund des Autors hatte hingegen keinen Einfluss auf die Bewertung der Nutzer. Im Experiment stellte er sich in einem Fall als Forscher einer Universität vor, in einem anderen Fall als Interessensvertreter der pharmakologischen Industrie. „Dieses Ergebnis ist interessant, da wir in einer früheren Studie zeigen konnten, dass der Beruf einer Person sich sehr wohl auf die Vertrauenswürdigkeit und die Glaubwürdigkeit ihrer Argumente auswirken kann“, erklärt Dr. Lars König, der die Studie im Rahmen seiner Doktorarbeit am Graduiertenkolleg „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ unter der Leitung von Prof. Dr. Regina Jucks durchführte. „Es bräuchte weiterer Forschung, um zu verstehen, unter welchen Bedingungen der Beruf des Autors eine Rolle für die Leser spielt“, betont er.
In den vergangenen Jahren haben viele Autoren von wissenschaftlichen Artikeln oder von Beiträgen in Gesundheitsforen damit begonnen, einen positiven Sprachstil zu nutzen, um die Relevanz ihrer Forschung oder ihres Ratschlags zu unterstreichen und nicht zuletzt auch Leser zu beeinflussen. Da Foren im Internet zudem keiner Kontrolle unterliegen, werden dort neben wissenschaftlichen Informationen häufig auch ungenaue oder falsche Ratschläge verbreitet. Laien können diese Falschinformationen aufgrund der komplexen Themen inhaltlich nicht bewerten und müssen sich daher an anderen Merkmalen der Empfehlungen orientieren.
Die Erkenntnisse aus dem Experiment sind besonders für Ärzte relevant, die zunehmend über digitale Kommunikationsmedien mit ihren Patienten in Kontakt treten. Aber auch Wissenschaftler können von der Forschung profitieren, da sie zunehmend versuchen, ihre neuesten Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen in einer verständlichen Weise für die Öffentlichkeit aufzubereiten.
„Da es Hinweise darauf gibt, dass die Bewertung von Expertenaussagen auch vom jeweiligen Thema und dem Geschlecht des Autors und des Lesers abhängt, sollte die zukünftige Forschung besonders diese Bereiche in den Blick nehmen“, erläutert Lars König. In zukünftigen Experimenten könnte etwa das Geschlecht des Autors variiert werden, um zu untersuchen, wie es sich auf die Wirkung des Sprachstils und die Bewertung des Informationsgebers auswirkt.
Förderung:
Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs 1712 „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ gefördert.
Originalpublikation:
L. König & R. Jucks (2020): Effects of Positive Language and Profession on Trustworthiness and Credibility in Online Health Advice: Experimental Study; DOI: 10.2196/16685
Foto: © Lars König/Regina Jucks