Nahe der Ortschaft Lützerath haben am Samstag erneut tausende Menschen gegen die Räumung der Siedlung und deren drohende Abbaggerung für den Braunkohleabbau demonstriert. Zu der Protestaktion aufgerufen hatte ein Bündnis aus Umweltverbänden und klimapolitischen Initiativen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) verteidigten die Räumung.
Zu dem Aktionsbündnis gehören unter anderem die Initiativen Alle Dörfer bleiben, Lützerath lebt, Fridays for Future und der Umweltverband BUND. Die Räumung erfolgt auf Grundlage einer Vereinbarung des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Energiekonzern RWE. Dieser sieht auf der anderen Seite auch ein Vorziehen des Kohleausstiegs in dem Bundesland auf 2030 vor.
"Mit unseren Fußabdrücken im Schlamm markieren wir die 1,5-Grad-Grenze für die Rettung des Klimas hier an der Abbruchkante", sagte der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Olaf Bandt, bei der Protestkundgebung. Werde die Kohle unter Lützerath verbrannt, seien die Vorgaben des deutschen Klimaschutzgesetzes nicht mehr einzuhalten. Das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), "Klimakanzler" sein zu wollen, sei "nichts als Schall und Kohlerauch".
Im "Spiegel" warf Bandt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beide Grüne) vor, sie hätten mit Duldung der Grünen-Parteispitze einen "Hinterzimmerdeal mit RWE ausgehandelt". Der Polizei warf der BUND-Vorsitzende vor, bei ihrem Vorgehen gegen Protestierende in Lützerath Sicherheitsvorschriften zu umgehen.
Die Polizei räumt den Ort seit Mittwoch und ist dabei inzwischen weit fortgeschritten. Am Freitag mussten Aktivistinnen und Aktivisten ein letztes besetztes Gebäude verlassen. Allerdings hielten sich weiter Demonstrierende auf Bäumen sowie in einem selbst angelegten Tunnelsystem auf. "Wir hoffen, dass das auch eine Methode ist, die die Räumung weiter hinauszögert, sagte dazu die Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt", Bente Opitz. Die Polizei rief die Menschen im Tunnel auf, diesen aus Sicherheitsgründen zu verlassen.
Wüst sagte im Deutschlandfunk zu dem Streit um Lützerath, die Debatten seien "alle geführt." An einem bestimmten Punkt sei "eine Sache auch entschieden". Neubaur sagte dem WDR, die "sehr klimaschädliche" Kohle unter Lützerath werde für die Energiesicherheit benötigt. Auch sei es gelungen, den Kohleausstieg um acht Jahre vorzuziehen. Damit werde "weniger CO2 emittiert werden in die Atmosphäre".
Innerhalb der Grünen ist die Vereinbarung mit RWE heftig umstritten. Die Grüne Jugend Nordrhein-Westfalen unterstützt die Proteste ausdrücklich und bewertet "die Räumung des Dorfes als grundlegend falsch". Ein offener Brief der Grünen-Basis, der sich gegen die Vereinbarung zur Abbaggerung und gegen die Räumung von Lützerath wendet, wurde bis Samstagmittag von mehr als 2500 Parteimitgliedern unterzeichnet.
Auch der evangelische Superintendent des Kirchenkreises Jülich, Jens Sannig, wandte sich in Lützerath gegen den weiteren Braunkohleabbau. Eine von Kulturschaffenden gestartete Petition gegen die Räumung wird von mehr als 18.000 Menschen unterstützt.
Solidarisch mit den Protesten erklärte sich die Linkspartei. "Unsere Solidarität gilt den Menschen, die Lützerath verteidigen", sagte Parteichefin Janine Wissler anlässlich eines Spitzentreffens der Linken in Berlin.
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