Nach monatelanger Kritik an ihrer Amtsführung hat Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ihren Rücktritt erklärt. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um ihre Entlassung aus dem Amt gebeten, teilte Lambrecht am Montag in einer schriftlichen Erklärung mit. Eine Entscheidung über ihre Nachfolge wird es nach Angaben aus Regierungskreisen am Montag noch nicht geben.
"Die monatelange mediale Fokussierung" auf ihre Person lasse "eine sachliche Berichterstattung und Diskussion" über Fragen der Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen "kaum zu", schrieb Lambrecht. "Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen."
Die frühere Bundesjustizministerin hatte ihr Amt im Verteidigungsressort mit dem Start der Ampel-Koalition vor 13 Monaten angetreten. Lambrecht hatte vor der Bundestagswahl 2021 eigentlich angekündigt, sich nach über zwei Jahrzehnten aus der Bundespolitik zurückzuziehen.
Die 57-jährige Juristin geriet nach ihrem Amtsantritt nicht nur wegen der massiven Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr und dem zögerlichen Kurs bei Waffenlieferungen an die Ukraine in die Kritik. Im Ministerium wurde auch ihre Amtsführung kritisiert. Ein als unglücklich empfundenes Video mit Neujahrsgrüßen der Ministerin hatte den Druck auf sie zuletzt nochmals verstärkt.
Über Lambrechts Rücktrittspläne hatten Medien seit Freitagabend berichtet. Seitdem wird über eine Reihe möglicher Nachfolger spekuliert. Genannt werden aus der SPD unter anderem Parteichef Lars Klingbeil, Arbeitsminister Hubertus Heil, die Wehrbeauftragte Eva Högl, Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt und die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium, Siemtje Möller.
Doch am Montag wird die Entscheidung über die Neubesetzung des Verteidigungsressorts nicht fallen, wie AFP aus Regierungskreisen erfuhr. Gerechnet wird damit bis Mitte der Woche.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja (Wikipedia) kritisierte Kanzler Scholz dafür, dass nach Lambrechts Rücktritt noch keine Nachfolgerin oder Nachfolger bereitsteht. "Wir haben Krieg in Europa und wir haben in dieser Woche ein wichtiges Treffen der Kontaktgruppe für die Ukraine-Unterstützung in Ramstein", sagte er dem Sender Welt TV. "Deswegen ist es jetzt extrem wichtig, dass die Truppe Klarheit hat, dass die Bundeswehr Bescheid weiß, wer sie führt." Scholz müsse "jetzt sehr schnell handeln".
Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), forderte eine überzeugende Neubesetzung des Postens. "Das ist jetzt eine existenzielle Frage für Deutschland", sagte Bartels er im Deutschlandfunk. "Verteidigung ist nicht irgend so ein Politikfeld. Diese Besetzung muss jetzt sitzen."
Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller, zollte der Ministerin "Respekt" für ihre Entscheidung. "Die mediale Debatte um die Person von Frau Lambrecht (Wikipedia) hat in der Öffentlichkeit zunehmend von inhaltlichen Fragen abgelenkt", erklärte er. Lambrecht ermögliche nun "zum Wohle unserer Streitkräfte und zum Gelingen der Zeitenwende einen Neustart". Nötig sei nun ein "erfahrener Kopf, jemanden mit Mut zur konsequenten Umsetzung der Zeitenwende".
Lambrecht ist nach Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) das zweite Kabinettsmitglied, das in der Regierung von Bundeskanzler Scholz seinen Rücktritt erklärt. Spiegel hatte mit ihrem Ausscheiden im April die Konsequenzen aus einem umstrittenen Frankreich-Urlaub während der Flutkatastrophe 2021 in ihrer Zeit als Landesumweltministerin in Rheinland-Pfalz gezogen.
mt/cha © Agence France-Presse