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Milliardenunternehmen adidas und die ethische Verantwortung

Ein Aufsehen erregender Scherz von Aktivist*innen der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) „The Yes Men“ und „Clean Clothes Campaign“ unterstreicht die Heuchelei von adidas.

Berlin (ots) Am gestrigen Montag,16.01.2023, haben Aktivist*innen von The Yes Men (Wikipedia) in Zusammenarbeit mit der Clean Clothes Campaign (Wikipedia) in einem öffentlichkeitswirksamen Scherz die Scheinheiligkeit von adidas in Bezug auf die Rechte der Bekleidungsarbeiter*innen aufgezeigt. Die Aktion begann mit der erstaunlichen Ankündigung von 'adidas' (Wikipedia), kühne neue Pläne des Unternehmens vorzustellen.


Arbeitsrechte sollen Priorität bekommen und ab jetzt geschützt werden. Angekündigt wurde auch die Absicht zur Ernennung einer ehemaligen Bekleidungsarbeiterin und Gewerkschaftsführerin aus Kambodscha, 'Vay Ya Nak Phoan' ('Bekleidungsarbeiter' auf Khmer) zur Co-CEO neben Bjørn Gulden (Wikipedia), der seit dem 1. Januar die Leitung des Unternehmens übernahm. 'Phoan' soll dabei vor allem die ethische Verantwortung von adidas im Blick behalten. Ihr erster Schritt im Amt war die Unterzeichnung der Vereinbarung 'Pay Your Workers', ein von Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen entwickelter Vorschlag zu Löhnen, Abfindungen und Vereinigungsfreiheit.


'Own the Reality' statt 'Own the Game'

Am Montag wurde eine Pressemitteilung von der Domain adidas-group.com.de verschickt, in der das adidas-Motto 'Own the Game' durch 'Own the Reality' („Stelle dich der Realität“) ersetzt wurde. Sie enthielt Links zu einem Foto von Gulden und 'Phoan', die scheinbar die Vereinbarung 'Pay Your Workers' unterzeichnen und sich verpflichten, die systemischen Probleme des Lohn- und Abfindungsdiebstahls und der Zerschlagung von Gewerkschaften anzugehen.


Nach den Berichten über den Streich am Montag besuchten zahlreiche Modebegeisterte eine schockierende 'adidas'-Modenschau im Rahmen der Berliner Modewoche. Die Einführung der neuen Bekleidungslinie suffering-forward Realitywear sollte die Notlage der adidas-Arbeiter*innen in den Produktionsländern widerspiegeln. Jedes Kleidungsstück wurde angeblich sechs Monate lang von kambodschanischen Textilarbeiter*innen getragen, um einen wahrhaft verzweifelten Look zu erzielen. Während die Ankündigung eines neuen Co-CEO darauf abzielte, eine alternative Realität zu präsentieren, in der adidas bereit ist, sich für seine Arbeiter*innen einzusetzen, verdeutlichte die offensiv-geschmacklose Modenschau die brutale Realität, in der aktuell im Streben nach Profit die Rechte der Beschäftigten verletzt werden.


Alternative Zukunft der Unternehmensführung

Der anschauliche Schwindel von The Yes Men zeigt eine alternative Zukunft der Unternehmensführung, die dem Schutz von Rechten Priorität einräumt. Gleichzeitig prangert er die Heuchelei von adidas an, einer Marke, die sich selbst als Investor in die Stärkung der Rolle der Frau darstellt, während sie mit der anhaltenden Ausbeutung von Bekleidungsarbeiter*innen - überwiegend in Produktionsländern ohne angemessene soziale Sicherungssysteme - Milliardengewinne erzielt. Die Aktion verdeutlicht die Macht, die adidas über die Bedingungen in seiner Beschaffungskette hat.

Eine*r der 26 Arbeitenden in Myanmar, der/die wegen ihres Streiks in der Pou-Chen-Fabrik entlassen wurden, (er*sie wollte anonym bleiben) sagte: "adidas ist weltberühmt und sollte nicht ignorieren, was mit den Arbeiter*innen geschieht, die adidas- Schuhe herstellen. Können sie Pou Chen nicht zur Rechenschaft ziehen für unsere verlorenen Arbeitsplätze und das, was uns passierte?"

"Die Nachricht über ihr neues Programm ist gefälscht, aber das Leiden der adidas-Arbeiter*innen ist unbestreitbar real", argumentiert Mike Bonanno (Wikipedia) von The Yes Men, der mit Textilarbeiter*innen und Aktivist*innen an dem Streich gearbeitet hat. "adidas kann das Problem beheben, indem es die entsprechende Vereinbarung unterschreibt und seinen Arbeiter*innen zahlt, was ihnen zusteht".

Deshalb fordern wir Bjørn Gulden auf, die dringend notwendigen Schritte zu unternehmen und das Pay Your Workers-Abkommen (Wikipedia) zu unterzeichnen. Worte sind nicht genug, die Arbeiterinnen und Arbeiter brauchen jetzt echte Taten, sie haben schon zu lange gewartet.


Hintergrund

Die aktuellenFälle von Rechtsverletzungen in der adidas-Beschaffungskette  wurden bisher nicht geklärt. So geht es u.a. um die Zusammenarbeit mit den Zulieferern, darum, alle acht entlassenen Gewerkschafter*innen bei Trax Apparel in Kambodscha wieder einzustellen und darum, 100 % der bisher nicht gezahlten Löhne nachzuzahlen. Auch bei Pou Chen in Myanmar ist adidas aufgerufen, auf die Forderungen der Gewerkschaft einzugehen. Das schließt die Wiedereinstellung der hier entlassenen Arbeiter*innen und Gewerkschaftsmitglieder ein, wie auch deutliche Lohnsteigerungen und die Zusicherung des Arbeitsschutzes für alle Beschäftigten.

Gesetzlich vorgeschriebene Abfindungen in Höhe von 3,6 Millionen US-Dollar schuldet adidas allein den über 5.000 Beschäftigten der Hulu Garments-Fabrik in Kambodscha, weitere 11,7 Millionen US-Dollar entgangene Lohnzahlungen den Arbeiter*innen in acht anderen kambodschanischen Zulieferbetrieben.


Trotz hoher Unternehmensgewinne auch in den vergangenen Jahren weigert sich adidas, seinen Verpflichtungen nachzukommen, und ist ebenfalls bisher nicht bereit, eine Vereinbarung zu einem Abfindungsgarantiefonds zu unterzeichnen, der Beschäftigte in der Bekleidungsindustrie zumindest in Zukunft absichern soll.


Beitragsbilder: ©Kampagne für Saubere Kleidung, The Yes Men


Kampagne für Saubere Kleidung, The Yes Men

Clean Clothes Campaign - Kampagne für Saubere Kleidung