Begleitet von hohen Erwartungen und drängenden politischen Problemen tritt der SPD-Politiker Boris Pistorius am Donnerstag das Amt des Bundesverteidigungsministers an.
Am Morgen soll Pistorius die Ernennungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhalten - damit löst er offiziell die bisherige Ministerin Christine Lambrecht im Amt ab. Für Pistorius folgen dann Vereidigung im Bundestag, Empfang mit militärischen Ehren im Verteidigungsministerium und ein Treffen mit seinem US-Kollegen Lloyd Austin (Wikipedia).
Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Koalition stärkten dem neuen Minister am Mittwoch demonstrativ den Rücken. Die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte im RBB-Sender Radioeins allerdings "eine Bedingung" für die Unterstützung des neuen Ministers - nämlich, "dass er der Chef im Ring ist, dass er am Kabinettstisch die Interessen der Soldatinnen und Soldaten durchsetzt" und dass er gegenüber dem Kanzler klar mache: "Das Sagen im Ministerium hat der Verteidigungsminister."
Die Grünen-Wehrexpertin Agnieszka Brugger bezeichnete Pistorius im Sender Phönix als "ausgezeichnete Wahl". Sie fügte hinzu: "Das Verteidigungsministerium ist ein sehr schwieriges Ressort." Pistorius bringe mit seiner Erfahrung und seinem Ansehen "sehr wichtige Qualifikationen für dieses Amt mit", sagte sie.
Der Mittwoch war für Pistorius der letzte Tag im Amt des niedersächsischen Innenministers. Landessozialministerin Daniela Behrens (SPD) sollte zur Interims-Innenministerin ernannt werden, teilte eine Regierungssprecherin in Hannover mit. Die Interimsbesetzung des Amts ist laut Landesverfassung erforderlich, um Pistorius von seinem Amt zu entpflichten.
Zu den drängendsten Fragen, denen sich der neue Minister zuwenden muss, zählt die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Der ukrainische Vize-Außenminister und frühere Berlin-Botschafter Andrij Melnyk forderte von Pistorius eine Abkehr der bisherigen zurückhaltenden Linie in Berlin. Der neue Minister müsse umfangreiche schwere Waffenlieferungen an sein Land ermöglichen, sagte Melnyk dem Nachrichtenportal t-online. Dazu zählten "Kampfpanzer, Kampfjets, Kriegsschiffe, Mehrfachraketenwerfer, Artillerie, Flugabwehr und natürlich ausreichend Munition".
Pistorius müsse "viel entschlossener und schneller" agieren als seine Vorgängerin Christine Lambrecht, forderte der ukrainische Vize-Außenminister weiter. "Damit kann er beweisen, dass Deutschland seine Verweigerungstaktik für immer ad acta gelegt hat."
Der Bundeswehrverband begrüßte die Nominierung von Pistorius. Der SPD-Politiker sei "hochgeachtet", sagte Verbandschef André Wüstner der "Welt" vom Mittwoch. Wüstner sieht den neuen Minister vor großen Herausforderungen: "Die Lage der Bundeswehr ist so prekär wie nie zuvor." Es müssten "personelle, infrastrukturelle sowie materielle Lücken" geschlossen werden.
Zu den großen internen Problemfeldern zählen offenbar auch die Maschinengewehre der Bundeswehr. Diese sind einem Bericht der "Bild" zufolge teilweise in einem katastrophalen Zustand. Dies gelte besonders für die Feldlafette, ein mittleres Maschinengewehr, berichtet die Zeitung unter Berufung auf den Quartalsbericht zur "Beschleunigung und Optimierung der Beschaffungen in der Bundeswehr".
Die "für den infanteristischen Einsatz" verfügbaren Feldlafetten stammten aus den 1960er Jahren, weisen zunehmend "Obsoleszenzen" - also eine anhaltende Nicht-Verfügbarkeit - auf und bedürften vor jeder Verwendung einer Einzelfreigabe", zitierte das Blatt aus dem Bericht.
pw/bk AFP