Münster (SMS) Nora Möller hört vielleicht nicht die Flöhe husten – aber in totem Holz die Käfer nagen. „Ich muss mit dem Ohr ganz nah an die Oberfläche heran - dann geht das“, sagt die Restauratorin für Gemälde und Skulpturen im Stadtmuseum Münster. Dort und in den Außendepots des Museums ist Nora Möller Expertin dafür, Schädlingen vorzubeugen - vor allem in und an natürlichen Materialien wie Holz, Papier oder Textilien. Ihr gutes Gehör braucht sie dafür meistens nicht. „Wir haben viele andere Methoden, Schädlingen auf die Spur zu kommen. Nur so bleiben die wertvollen Kulturgüter langfristig davor verschont, von winzigen Lebewesen oder Mikroorganismen zerfressen und geschädigt zu werden“, sagt die Restauratorin.„Jedes Museum freut sich über guten Zuwachs an Kunst- und Kulturgut und tut alles dafür, dass die Exponate vor Einflüssen wie Sonne, Berührung, schwankendem Klima oder Insekten geschützt sind“, ergänzt Museumsleiterin Dr. Barbara Rommé. Insbesondere kulturhistorische Museen stünden vor einer Herausforderung: „Der Klimawandel tut einiges dazu, dass immer mehr Insektenarten nach Mitteleuropa einwandern und potenzielle Gefahren für Bibliotheks- und Archivgut, aber auch für Kunstwerke sind.“
Deshalb helfen Wissenschaftlerinnen und Techniker im Museum sowie externe Fachleute Nora Möller erfolgreich dabei, Befälle gar nicht entstehen zu lassen. Im Ausnahmefall werden die Expertinnen und Experten aktiv. Dann müssen sie Tiere oder Schimmelbefall orten, vernichten und eventuell Schäden dokumentieren und konservieren.„Vor allem bestimmte Insekten haben im Museum nichts zu suchen – die Larven des Gemeinen Nagekäfers, die in Holzobjekten knabbern, Papierfischchen und Kleidermotten. Ebenfalls gefährlich ist Schimmel – für alle organischen Materialien, aber auch für Fotografien oder Negative“, sagt Nora Möller. Sie zeigt, was Schädlinge anrichten, wenn man sie nicht bemerkt: Ein Gemälde auf Holz des münsterschen Malers Ludger tom Ring der Jüngere ist voller winziger Öffnungen – Ausfluglöcher des Nagekäfers, dessen Larven zuvor dünne Gänge in den Untergrund gefressen haben. Der Befall liegt Jahrzehnte zurück. „Das kann so weit gehen, dass ein Kunstwerk zerbröselt und wir das Material aufwändig neu aufbauen und konservieren müssen“, so die Restauratorin.Allerdings: Meist sind solche Schäden nicht im Stadtmuseum entstanden, sondern bevor die Objekte in die Sammlung kamen. So ist es mit einem Aufruf aus den Jahren 1942/43 auf dünnen Seiten: Hier haben Papierfischchen – größere Verwandte des Silberfischchens - ganze Ecken weggeknabbert. Papierfischchen wurden in Deutschland erstmals 2007 nachgewiesen, stammen wahrscheinlich aus Südafrika und wurden durch die Globalisierung eingeschleppt. Da kalte Winter mittlerweile selten sind, überleben die Schädlinge problemlos. Außerdem bieten ihnen Kartonagefabriken genügend Futter. Von dort können Papierfischchen mit Paketen in jeden Haushalt gelangen. „Sie sind allgegenwärtig, und sie lieben Museumsklima – gemäßigte Raumtemperatur und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit“, sagt Nora Möller.
Dass aktuell trotzdem kaum Schädlinge im Museum leben, weiß die Restauratorin, weil sie und weitere Fachleute vorsorglich ein regelmäßiges Monitoring durchführen: Sie legen unterschiedliche Fallen aus – einige halten mit Klebstoff fest, was über sie hinwegkrabbelt, andere locken mit Pheromonen oder Fressködern. Die unauffälligen kleinen Pappen platzieren sie überall – in Ausstellungsräumen, Büros und Magazinen. Einmal wöchentlich findet ein Rundgang statt. Und beim groß angelegten Schädlingsmonitoring alle drei Monate untersuchen Spezialistinnen und Spezialisten, was genau an welchen Stellen und in welcher Zahl in die Falle ging. „Meist sind es äußerst wenige Tiere, die machen kein Problem, denn wir gehen schnell dagegen an“, so Möller. „Unsere Präventionsmaßnahmen helfen gegen Befälle – sei es über das Monitoring, die richtige Lagerung der Objekte und gute Hygiene.“Wärme deutlich über 40 Grad, Kälte und Biozide in Köderfallen wirken gegen Schädlingsbefall. Besonders schonend für empfindliche alte Materialien ist der Sauerstoffentzug, vor allem Gemälde werden so behandelt. Schimmel, wie er zum Beispiel in der Gelatineschicht alter Fotos vorkommen kann, rücken die Fachleute seit Neuem im Quarantäneraum des Stadtmuseums zu Leibe. Hier steht eine von Glas umschlossene Sicherheitswerkbank, die Nutzerinnen und Nutzer vor gesundheitsgefährdenden Sporen schützt. In dem komplett abgedichteten Raum lagern auch andere Objekte, die frisch im Stadtmuseum angekommen sind. Sie werden untersucht, bis Nora Möller und ihr Kollege wissen, dass sie keine unerwünschten Gäste ins Museum bringen.
„Wegen des strengen Monitorings sind wir bei unseren eigenen Sammlungen sicher, dass sich der Schädlingsbefall in sehr engen Grenzen hält. Auch bei Objekten, die aus anderen Museen zu uns kommen, sind Schädlinge meist kein Problem“, erklärt die Restauratorin. Die Verpackungen der Neuzugänge können mehr Schwierigkeiten bereiten. „Ob Kartonagen oder Holzpaletten – alles, was befallen sein könnte, entsorgen wir schnell. Und hier im Haus nutzen wir nur geprüfte Materialien, Kunststoffpaletten und Metallkonstruktionen, um Museumsstücke zu verwahren“, sagt Nora Möller.
Das größte Risiko bergen Schenkungen, die Privatpersonen dem Museum übergeben und die vorher nicht sachgerecht gelagert wurden. „Wir hatten ganze Boxen mit interessanten Fotografien, die auf einem Dachboden gelegen hatten und von Schimmel angegriffen waren“, sagt die Restauratorin. Gründlich gereinigt sowie kühl und trocken gelagert, sind die Aufnahmen nun sicher verwahrt. „Dass weitere Schäden an Objekten bei uns entstehen, kommt kaum vor“, ergänzt sie. Übrigens auch, weil Nora Möller und die anderen Mitarbeitenden des Stadtmuseums einen einfachen Trick beherzigen. „Wir entstauben sämtliche Objekte und ihre Lagerorte sehr regelmäßig. Denn Staub ist ein großer Risikofaktor – Nahrungsquelle für Insekten und Nährboden für Mikroorganismen.“
Titelfoto: An dieser Skulptur eines Heiligen, entstanden um 1800, haben Larven eines Nagekäfers ein stark verzweigtes Gangsystem angelegt. Derartige Schäden kann Restauratorin Nora Möller zwar sichern, aber nicht ungeschehen machen. Foto: Stadtmuseum Münster.
Stadt Münster