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"Ich wollte eigentlich als Leopard kommen".

73. Verleihung des Ordens wider den Tirischischen Ernst in Aachen an Annalena Baerbock

Ich habe sehr lange überlegt, was meine heutige Verkleidung angeht. Ich wollte eigentlich als Leopard kommen. Aber dann hatte ich doch etwas Sorge, dass mir das Kanzleramt wochenlang keine Reisegenehmigung erteilt. Hier bin ich also, so wie ich bin. Eine weibliche Außenministerin – ohne Visier. Und das scheint ja manchen bei uns im Land immer noch exotischer, als jeder Lappenclown oder Superman.

Man hat mich extra gewarnt: Annalena, nach dieser Woche: Bitte keine Witze über den Bundeskanzler. Und vor allem: Bitte keine Versprecher. Aber: Keine Versprecher macht man ja nur, wenn man gar nix sagt. Und - das können andere offensichtlich besser als ich… Was ich eigentlich sagen wollte: Ich freue wirklich mich sehr, heute hier zu sein. Für mich ist es eine große Ehre, in diesen illustren Kreis der Ritterrinnen und Ritter aufgenommen zu werden. 

Der Titel des Ordens passt zur Weltlage – ja es ist tierisch ernst. Und dabei die Zuversicht und den Humor nicht zu verlieren, ist alles andere als einfach. Aber offenbar sind Sie hier auch mit dem Orden in einer ernsten Lage – denn anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie ausgerechnet mich ausgewählt haben. Man hat uns Grünen ja schon viel vorgeworfen – aber einen Überschuss an Selbstironie zu haben, das war noch nie dabei. Sie trauen sich was! 

Den Orden gibt es ja schon seit 1950, und zack… bereits 40 Jahre später waren Sie so mutig, die erste Frau zur Ritterin zu machen. Und heute - zum allerersten Mal nach nur 73 Jahren - eine grüne Frau! Grüne Frau – das klingt ein bisschen nach Mars-Mensch. Dabei hatte ich eher das Gefühl, dass mich einige in den letzten Wochen wohl eher auf den Mond gewünscht hätten. Sei’s drum.

Liebe Sibylle Keupen, ich bin heute sehr gerne zu Euch nach Aachen gekommen. Denn von Euch kann man viel lernen. Ihr erfüllt hier alle Kriterien eines Kurortes. Aber Ihr habt großzügig auf die Bezeichnung „Bad Aachen“ verzichtet. Clever. Sonst wärt Ihr nämlich von der Spitzenposition im Alphabet gerutscht. Ein AA – vorne. Das ist nicht zu toppen. Und jetzt wisst Ihr auch, warum ich das Auswärtige Amt genommen habe. Das AA. Klar und deutlich.

Das Gute ist: Da kann mich kein anderes Regierungsmitglied überholen. Deren Ressorts kann ja bis heute keiner fehlerfrei buchstabieren. Es ist wirklich auch ein bisschen Risiko für mich, heute hier zu sein. Meine BKA-Leute sagen: das letzte, also wirklich das allerletzte, was ich machen sollte, das ist: mich in diesen Zeiten in einen Raum ohne Fluchtweg zu stellen, vor eine Menschenmenge, die schunkelt, die viel Alkohol trinkt und - in der auch noch Lars Klingbeil, Armin Laschet und Friedrich Merz sitzen. Das ist eine echte Bedrohungslage! Ich habe nur kurz zurückgefragt – kommt Robert Habeck auch? ….

Vielleicht gehört das zu den vielen Dingen, die ich im letzten Jahr als Außenministerin gelernt habe: Dass man sich auch mal über seine Berater hinwegsetzen muss. Ich kann deren Sorge ja ein bisschen verstehen: Denn in der Welt der Diplomatie sind überall Fallstricke in der Nähe. Da warten manche nur drauf, dass man sich verhaut. Oder sich verspricht. 

Wobei ich einmal klarstellen möchte …. Nicht alles, was so als Versprecher durchs Netz kursiert, ist einer: Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben interne Wetten laufen, wie oft ich dieses schöne Wort „ebend" in einer Rede sage. Und die behaupten, wie auch so einige im Netz, dass es das Wort eigentlich gar nicht gibt. Also: Ich sehe das ebend nicht so! „Ebend". Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist schönstes Hochdeutsch. Der Lars kann das bezeugen. Das sagt man so in Hannover. Ebend.

So, jetzt ist es raus, ich komme aus Hannover! Lars hat die Niedersachsen-Witze schon vorneweg genommen. Wir Nordostdeutschen stellen zwar inzwischen das halbe Bundeskabinett, aber die Bundeszentrale für politischen Humor liegt da leider nicht. Zum Glück haben wir Partner aus anderen Bundesländern in der Ampel, auf die wir uns stets verlassen können – zumindest, was die Witze angeht… Christian Lindner zum Beispiel. Immer, wenn ich den treffe, hat der einen Witz auf Lager. Der Frauenanteil in der FDP zum Beispiel…. Kein guter Witz, ich weiß, aber ein Witz ist das schon.

À propros Christian Lindner - Ich mag den eigentlich. Wolfgang, Du auch, oder? Ich mag den ehrlich. Es ist ja ganz interessant: Immer, wenn ich Christian Lindner in den letzten Monaten getroffen habe, hat der zu mir gesagt: „Weißt Du eigentlich, wer Dich für den Orden vorgeschlagen hat?“ Da habe ich gedacht: Das kann doch gar nicht sein. Soviel Wohlwollen. Was habe ich denn falsch gemacht? Aber als ich dann hier gerade auf die Bühne gekommen bin, und Christian Lindner offensichtlich nicht im Raum gesehen habe, da habe ich gedacht: Lieber Christian Lindner, da müssen wir echt nochmal darüber sprechen, ob das ein Gefallen für mich sein sollte, oder eher für jemand anderen… Wer solche Koalitionsfreunde hat, der braucht echt keine Opposition mehr.

À propos Opposition: die Herren von der CDU haben ja nun auch die Feministische Außenpolitik für sich entdeckt, nachdem man bei der Union merkte, dass die Schenkelklopfer der 90er nicht mehr so ganz ankommen. Weil – ja, es ist wirklich krass -, doch die Hälfte unseres Landes weiblich ist. Und die Hälfte der ganzen Welt. Nachdem man also lange Feminismus für Gedöns gehalten hat, interessiert sich jetzt auch Friedrich Merz für feministische Außenpolitik! Ich frage mich: Müssen wir uns Sorgen machen? Was kommt denn als nächstes? Verkauft er sein Privatflugzeug und kauft sich ein Lastenrad? Ich verstehe Sie ja vollkommen. Es ist sehr viel einfacher, einen Jet am Berliner Flughafen zu parken als ein Lastenfahrrad in Berlin-Mitte.

Aber so ein Wechsel aufs Fahrrad wäre auch im Sinne einer feministischen Klima-Außenpolitik. „Was ist das denn nun wieder?“ - das fragt sich da hinten Wolfgang Kubicki. Der hat schon sein Handy rausgeholt und tickert dem Fritze Merz: „Was haste jetzt da wieder angestellt?“ Aber ich versuche es mal ganz einfach zu erklären, … so dass es vielleicht auch Wolfgang Kubicki versteht: Schluss mit Anbaggern und Schluss mit Abbaggern.

Denn die Zeiten ändern sich. Das merkt man auch bei uns in der Kantine im Auswärtigen Amt. Nicht zu früh freuen, liebe CDU und SPD. Den Gefallen tun wir Euch nicht nochmal. Nix mit Veggie-Day. Bei uns gibt’s weiterhin Fleisch und Fisch. Nur ein leckeres Gericht mussten wir von der Karte nehmen. Wenn Sie Zeitung lesen, dann wissen Sie, was ich meine: den Bismarck-Hering! Der war einfach nicht mehr zeitgemäß. Aus dem Königreich Preußen wurde bei uns Deutsche Einheit und Vereintes Europa. Ich weiß…. Das scheint für manche schwer erträglich. Aber - statt Bismarck-Hering essen wir jetzt alle Aachener Printen. Und die sind wirklich lecker. Das hat mich positiv überrascht, denn ich hatte in der Vergangenheit ja eher etwas Pech mit meinen eigenen Print-Produkten. Man lernt nie aus.

Daher ganz im Ernst. Es ist gut, meine Herren, dass die feministische Außenpolitik jetzt endlich bei fast allen angekommen ist. Weil keine Gesellschaft dieser Welt bestehen kann, wenn sie die Hälfte der Menschen ausschließt. Deswegen stehen wir an der Seite der Frauen, insbesondere in Afghanistan, in Iran, die mit so viel Mut für ihre Freiheit kämpfen.

Ich möchte hier am Ende des Abends sagen, was mir wirklich wichtig ist. Denn natürlich habe ich lange überlegt, ob es richtig ist, dass ich hier bei Euch beim Karneval bin, dass wir feiern und lachen.

Russlands brutaler Angriffskrieg in der Ukraine tobt seit einem Jahr. Das bewegt uns alle. Jeden Tag. Ich glaube, es ist unsere Menschlichkeit, die uns stark macht. Unsere Antwort auf diesen zynischen Krieg ist unser Zusammenhalt. Ich erinnere mich, als ich das letzte Mal hier in Aachen war – im Mai, als der Karlspreis an die drei belarussischen Oppositionellen verliehen wurde: Swetlana Tichanowskaja, Weronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa. 

Wie Ihr, liebe Aachenerinnen und Aachener, diese mutigen Frauen auf dem Katschhof gefeiert habt, mit einem Meer aus Europafahnen. Dieses große Mitgefühl - mit den Frauen, Männern und Kindern in Belarus und in der Ukraine - das bewegt mich zutiefst. Ich höre ja manchmal: „Jetzt redet die schon wieder über Kinder. Jetzt wird sie schon wieder emotional." Wissen Sie was? Ich bin froh, dass ich - auch als Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland - sagen kann, wie nah mir das geht. Ich bin dankbar, dass wir in einem Land leben, in dem das möglich ist:

In dem wir Politikerinnen und Politiker zeigen können, dass uns das Leid, das wir sehen, nicht kalt lässt. 

Weil wir alle Menschen sind. Und weil zum Außen auch immer ein Innen gehört. Genau für diese Offenheit steht für mich der Karneval. Weil wir hier deutlich machen, dass wir eine politische Kultur haben, bei der wir trotz hartem Streit in der Sache immer menschlich bleiben. Dass wir hier in Deutschland übereinander, aber vor allem auch miteinander lachen können. Das ist, was zählt.

Ebend dafür steht der heutige Abend. 

Ebend dafür sage ich:

Danke - mit einem Dreifachen:

Oche Alaaf

Oche Alaaf

Oche Alaaf



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Auswärtiges Amt Rede

05.02.2023