Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Überlegungen des IOC-Präsidenten Thomas Bach, Sportlern aus Russland und Belarus eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris zu ermöglichen, erneut in drastischen Worten kritisiert. Dies wäre eine "Manifestation von Gewalt und Gesetzlosigkeit", auch bei einem Start unter neutraler Flagge, sagte er bei einem virtuell abgehaltenen internationalen Sportministertreffen.
"Solange Russland tötet und terrorisiert, haben Vertreter dieses Terrorstaates keinen Platz in sportlichen und olympischen Wettkämpfen", führte Selenskyj aus und erklärte an die Zuhörer gerichtet: "Wenn die olympischen Sportarten Tötungen und Raketenangriffe wären, dann wüssten Sie, welche Nation den ersten Platz belegen würde."
Selenskyj sprach zudem von "mindestens 228 getöteten ukrainischen Athleten und Trainern" seit Beginn der russischen Invasion im Februar vergangenen Jahres. Er warnte davor, dass russische Sportler eine mögliche Olympia-Teilnahme für "Kriegspropaganda" nutzen könnten.
Ukrainische Verantwortliche hatten zuletzt mit einem Boykott der Pariser Spiele gedroht, sollten russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler bei Olympia 2024 antreten dürfen. IOC-Präsident Thomas Bach (Wikipedia) wiederum übte zuletzt Kritik an diesen Boykott-Überlegungen. Sie würden "gegen die Grundlagen der olympischen Bewegung" verstoßen, schrieb der 69-Jährige in einem Brief vom 31. Januar, der am Donnerstag vom ukrainischen Olympischen Komitee veröffentlicht wurde.
In dieser Hinsicht genieße das NOK der Ukraine "sicherlich nicht die Unterstützung oder Solidarität der großen Mehrheit der olympischen Bewegung", führte Bach aus und bezeichnete die Überlegungen als "verfrüht".
Der Fecht-Olympiasieger von 1976 erklärte zudem, er empfinde den "Druck" durch die "große Mehrheit" der verschiedenen olympischen Akteure als "äußerst bedauerlich". Zuvor hatten sich neben den ukrainischen Verantwortlichen auch mehrere Regierungsvertreter und Athleten aus anderen, vor allem europäischen, Ländern gegen eine Zulassung betroffener Sportler ausgesprochen - auch unter strikter Neutralität.
Auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo (Wikipedia) bekräftigte am Donnerstag ihre Ablehnung einer Olympia-Teilnahme russischer und belarussischer Athleten. "Manifestation von Gewalt und Gesetzlosigkeit" sagte die 63-Jährige bei einem Besuch der ukrainischen Hauptstadt Kiew an den Stadtrat gerichtet.
Das IOC dagegen beruft sich in seinem Ende Januar vorgestellten Konzept, das einen Start "neutraler Athleten" aus Russland sowie Belarus ausdrücklich ohne Flaggen, Landesfarben und Hymnen vorschlägt, auf Expertisen der Vereinten Nationen (UN) sowie großen Rückhalt in der internationalen Sport-Gemeinschaft.
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