Die Überlebenschancen bei Krebs haben sich in Deutschland verbessert.
Das geht aus dem „Länderprofil Krebs 2023“ hervor, den die
EU-Kommission zusammen mit der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) herausgegeben hat.
Die hiesige Fünf-Jahres-Nettoüberlebensrate liegt bei den meisten bösartigen Tumoren über dem EU-Durchschnitt. Sie gilt als Hinweis für die Qualität der Versorgung und ist hierzulande zwischen 2004 und 2014 bei fast allen häufigen Krebsarten gestiegen oder gleichgeblieben.
Besonders deutlich zeigt sich das bei der so genannten akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) bei Kindern, auch Kinderleukämie genannt. Diese bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems wird im Jahr bei rund 600 jungen Menschen diagnostiziert, doch dank der Therapiefortschritte zählt sie heute – O-Ton Kinderkrebsstiftung – zu den „am besten behandelbaren Krebserkrankungen.“ Die 5-Jahres-Überlebenrate liegt hierzulande bei 91 Prozent, der Durchschnitt in der EU (EU24) hingegen bei 82 Prozent (s. Grafik). Über dem europäischen Schnitt liegt Deutschland auch bei Prostata-, Brust- und Gebärmutterhalskrebs, beim Darm- und Lungenkrebs. Weiter heißt es in dem Länderbericht: „Für Menschen mit seltenen Krebserkrankungen liegt die 5-Jahres-Überlebensrate derzeit bei 51 Prozent und damit etwas über dem EU-Durchschnitt von 49 Prozent.“ Doch offenbar sind bei diesen Erkrankungen die Potenziale noch nicht ausgeschöpft, wie Daten aus Island (5-Jahres-Überlebensrate: 59 Prozent) und Finnland, Italien sowie Norwegen zeigen (jeweils 54 Prozent).
Bei Frauen ist Brustkrebs die häufigste Krebsart (28 Prozent der Neuerkrankungen), gefolgt von Darmkrebs (11 Prozent), Lungenkrebs (10 Prozent), Melanomen (6 Prozent) und Gebärmutterkrebs (5 Prozent). Bei Männern dominiert mit 23 Prozent der Neuerkrankungen Prostatakrebs. Es folgen Lungenkrebs (13 Prozent), Darmkrebs (11 Prozent) und Blasenkrebs (9 Prozent). Bei der Gesamtsterblichkeit von Krebs zeigt sich eine positive Entwicklung: „Die altersstandardisierte Krebssterblichkeit ist in Deutschland zwischen 2011 und 2019 zurückgegangen. Wie in der gesamten EU war der Rückgang bei Männern deutlicher als bei Frauen.“ Altersstandardisiert bedeutet, dass demografische Effekte wie Bevölkerungsalterung herausgerechnet werden, um Fortschritte in der Krebsbekämpfung zeigen zu können. Den größten Anteil an diesem Trend hat der Rückgang bei Darm-, Lungen- und Magenkrebs. „Trotzdem bleiben Lungen- und Darmkrebs die beiden Krebsarten mit der höchsten Sterblichkeit, gefolgt von Bauchspeicheldrüsen- und Brustkrebs.“ Beim Bauchspeicheldrüsenkrebs nahm die Sterblichkeit sogar zu.
Die Autor:innen des Berichts haben sich auch die Risikofaktoren angeschaut. So wird hierzulande mehr geraucht als in anderen Ländern der EU. Hinzu kommt ein deutliches Bildungs- und Einkommensgefälle: „Die Prävalenz des täglichen Rauchens ist bei Personen mit niedrigem Bildungsniveau (25 Prozent) höher als bei Personen mit hohem Bildungsniveau (14 Prozent) und bei niedrigem Einkommen höher als bei höherem Einkommen.“ Auch schädlicher Alkoholkonsum ist relativ verbreitet, allerdings unter anderen gesellschaftlichen Vorzeichen: „Im Gegensatz zu vielen anderen verhaltensbedingten Risikofaktoren ist schädlicher Alkoholkonsum bei Bevölkerungsgruppen mit höherem Bildungsniveau (4,9 Prozent) weiter verbreitet als bei jenen mit niedrigerem Bildungsniveau (3,8 Prozent). Weitere Faktoren, die für das Entstehen von Krebs verantwortlich sein können wie Übergewicht, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel, nehmen besonders „bei den weniger privilegierten Bevölkerungsgruppen“ zu. Beim täglichen Obst- und Gemüseverzehr liegt Deutschland unter dem EU-Durchschnitt; er stieg allerdings in den vergangenen Jahren leicht an.
Krebsversorgung in Deutschland: Leistungsfähigkeit kostet GeldKrebsversorgung: Anforderungen werden in den kommenden Jahren steigen.
Mit Gesamtkosten für Krebs von 524 Euro pro Kopf liegt Deutschland in Europa an der Spitze. Das liegt auch am Versorgungsanspruch: „Leicht zugängliche und leistungsfähige Krebsdienste sind mit hohen Kosten für das Gesundheitssystem verbunden“, heißt es in dem Bericht. „Die Aufsplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und anderen Akteuren – insbesondere der GKV und den Gesundheitsdienstleistern – erschwert eine systematische Kostendämpfung.“ Die direkten Versorgungsausgaben machen fast 55 Prozent der Kosten für Krebs aus (EU: 49 Prozent). Darunter fallen auch Krebsmedikamente (16 Prozent; EU: 15 Prozent). Mehr als 500 Euro pro Kopf geben auch die Niederlande, Belgien, Dänemark und Luxemburg aus. Der EU-Durchschnitt liegt bei 326 Euro.
Die Anforderungen an die Krebsbekämpfung werden in den kommenden Jahren steigen. Alterungsbedingt wird die Zahl der Fälle steigen. Auch die Komplexität der Behandlungen wird zunehmen, weil mit steigendem Alter die Komorbiditäten zunehmen; sprich: nicht nur die Krebserkrankung, sondern auch ein Diabetes und/oder eine Demenz müssen behandelt werden. Investitionen in eine leistungsfähige Krebsversorgung – von der Aufklärung und Prävention über die Früherkennung, bis hin zur besten verfügbaren Therapie sowie einer qualitativ hochwertigen Nachsorge – dürften sich letztlich gesamtgesellschaftlich rechnen. Abgesehen davon, dass sie Menschen mit Krebs eine Perspektive geben.
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