Der Bundesrechnungshof (Wikipedia) schlägt wegen der wachsenden Verschuldung des Bundes Alarm. Seit 2020 seien fast 850 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgenommen oder eingeplant worden, heißt es in einer Stellungnahme von Rechnungshofpräsident Kay Scheller für das Bundesfinanzministerium, die am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP vorlag. "Noch nie wurden in so kurzer Zeit so viele neue Kredite beschlossen", erklärte Scheller. "Diese Dynamik und ihre Folgen drohen die Tragfähigkeit der Bundesfinanzen und damit auch die staatliche Handlungsfähigkeit ernsthaft zu gefährden."
Die Stellungnahme erfolgt mitten in den Arbeiten am Bundeshaushalt für 2024 und der Finanzplanung bis 2027 unter Federführung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Die Haushaltsaufstellung sei Anlass, "eine Bestandsaufnahme" der Bundesfinanzen vorzunehmen und "grundsätzliche Vorschläge für deren Konsolidierung zu machen", heißt es in der Stellungnahme. Es gehe darum, einen "drohenden Kontrollverlust" bei den Bundesfinanzen zu verhindern.
Im "Vorkrisenjahr" 2019 habe die Gesamtverschuldung des Bundes bei rund 1,3 Billionen Euro gelegen, heißt es in dem Papier. Bis einschließlich 2023 wachse dieser "Schuldenberg" auf rund 2,1 Billionen Euro. Diese Erhöhung sei "in ihrer Dynamik beispiellos".
Der Bericht beklagt auch eine "Flucht in Sondervermögen". Durch die Weiternutzung alter und die Einrichtung neuer Sondervermögen - etwa für die Bundeswehr und für Maßnahmen gegen die Energiekrise - werde die Schuldenbremse des Grundgesetzes "ihrer Funktionsfähigkeit beraubt oder zumindest deutlich geschwächt". Offenkundig sollten hier "verfassungsrechtliche Restriktionen umgangen werden".
Verwiesen wird zudem auf hohe Zinsausgaben. Bis 2021 seien diese deutlich gesunken - "im Vergleich der Haushaltsjahre 2021 und 2023 explodieren sie förmlich": Für das laufende Jahr werden Zinszahlungen von 39,8 Milliarden Euro angenommen; 2021 waren es 3,9 Milliarden. Es müsse "auch für die kommenden Jahre von einem weiterhin hohen Niveau der Zinsausgaben ausgegangen werden", heißt es weiter.
"Permanent in neue Schulden auszuweichen, ignoriert die Realität und übergeht die Interessen vor allem der jungen Generation", monierte Rechnungshofpräsident Scheller. Laut den Tilgungsplänen des Bundes würden die bisherigen Schulden bis ins Jahr 2061 abbezahlt. "Ein heute dreizehnjähriges Kind, das im Jahr 2028 mit 18 Jahren in das Berufsleben eintritt, wird bis zu seinem 50. Lebensjahr mit seinen Steuerzahlungen für die heutigen Krisenkredite plus die darauf entfallenden Zinszahlungen eintreten müssen", heißt es in der Stellungnahme.
"Für stabile Bundesfinanzen bedarf es jetzt klarer, kluger und auch schmerzhafter Entscheidungen", befand Scheller. Er fordert in der Stellungnahme unter anderem eine Konzentration auf die "verfassungsrechtlichen Kernaufgaben" des Bundes, "langfristige Tragfähigkeitskonzepte" für die Sozialversicherungen und eine Prüfung sämtlicher "durch den Bund gewährten Subventionen und Vergünstigungen".
Beim letzten Punkt gehe es um Summen "im Milliardenbereich", unterstrich Scheller. Insbesondere alle klimaschädlichen Subventionen, etwa für Dieselkraftstoff, gehörten auf den Prüfstand. Bei Sozial- und Unterstützungsleistungen müsse der Bund "weg vom Gießkannenprinzip" und sie "immer auf die wirklich Hilfsbedürftigen ausrichten".
Zur Einnahmenseite heißt es: "Wenn Steuererhöhungen politisch ausgeschlossen werden, muss zumindest der Steuervollzug verbessert werden, um die Einnahmebasis des Bundeshaushalts zu stärken."
Scheller äußerte sich in seiner Funktion als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Diese Position, die traditionell vom Präsidenten des Bundesrechnungshofs ausgeübt wird, soll "auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben und eine dementsprechende Organisation der Bundesverwaltung" hinwirken.
cne/cha AFP