Der aufgeblähte Bundestag soll wieder kleiner werden: Mit den Stimmen der Ampel-Koalition hat das Parlament eine große Wahlrechtsreform beschlossen, durch die das Parlament fortan noch 630 Abgeordnete haben soll - mehr als hundert weniger als bisher. Doch ob die Reform kommt, ist offen: CSU und Linkspartei sehen sich in ihrer Existenz bedroht und wollen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt kritisierte einen "Akt der Respektlosigkeit" gegenüber den Wählern und der Demokratie. Denn die Reform könne dazu führen, dass in den Wahlkreisen direkt gewählte Abgeordnete nicht mehr ins Parlament einzögen. Die Ampel stelle damit das "Existenzrecht der CSU in Frage" und wolle die Linke "aus dem Parlament drängen".
Dobrindt stellte nach der Abstimmung eine Verfassungsklage des Freistaates Bayern in Aussicht. Die Unionsfraktion als Ganzes will die Reform durch das Bundesverfassungsgericht über eine sogenannte Abstrakte Normenkontrolle überprüfen lassen. Hierüber soll am Dienstag abschließend entschieden werden.
Die CDU/CSU-Fraktion werde sich "mit einer solchen Wahlrechtsreform nicht abfinden", sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU). Er hatte in letzter Minute im Plenum versucht, die Abstimmung nochmals um zwei Wochen zu verschieben. Doch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wies dies mit Verweis auf bereits erfolgte Gespräche zurück: "Drei Wochen intensives Ringen wird nicht besser, wenn wir nochmal 14 Tage warten."
"Wir werden uns in Karlsruhe sehen", kündigte auch der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, im Parlament an. Die Reform sei "der größte Anschlag" auf das Wahlrecht als Grundpfeiler der Demokratie "seit Jahrzehnten". Profitieren würden die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP. Dagegen sollten die CSU und die Linke "politisch eliminiert" werden. Die Reform sei "vergleichbar mit den Tricksereien der Trump-Republikaner".
Die Reform wurde mit den Stimmen der Ampel-Parteien angenommen; allerdings gab es bei der SPD zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung. Bei Union und Linke stimmten alle anwesenden Abgeordneten geschlossen dagegen. Bei der AfD votierten drei Abgeordnete dafür, 41 dagegen und 21 enthielten sich. Insgesamt waren 399 Volksvertreter für die Reform, 261 dagegen und 23 enthielten sich.
Durch den Gesetzentwurf soll die Zahl der Sitze im Bundestag fortan auf 630 begrenzt werden. Derzeit gibt es 736 Abgeordnete. Dazu soll die Zweitstimme mehr Bedeutung erhalten - Wahlkreisgewinner bekommen damit unter Umständen keinen Sitz im Bundestag.
Zudem soll die Grundmandatsklausel abgeschafft werden. Sie sorgt bisher dafür, dass Parteien mit mindestens drei gewonnenen Direktmandaten im Bundestag vertreten sein können, obgleich sie bundesweit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Der Obmann der SPD in der Wahlrechtskommission, Sebastian Hartmann, verteidigte das Vorhaben. Die Reform sei überfällig. Die Verkleinerung des Parlament sei klar und nachvollziehbar. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel sei eine "klare Systementscheidung" und stärke den Gedanken des Verhältniswahlrechts, sagte er. Aus Sicht der Ampel stehe der Vorschlag fest in der deutschen Verfassungstradition.
Der Bundestag müsse zeigen, dass er nicht nur von den Bürgern Reformbereitschaft erwarte, sondern auch selbst dazu in der Lage sei, sagte der FDP-Politiker Konstantin Kuhle. Das neue Wahlrecht sorge "für Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit". Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann betonte ihrerseits, der Vorschlag sei "fair und verfassungsgemäß".
mt/pw
Martin TRAUTH / © Agence France-Presse
Werbung:
Alles zum Deutschen Bundestag