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Putin "zu Besuch" in eroberten Gebieten

Putin überraschend in von Moskau eingenommener ukrainischer Stadt Mariupol

Erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat Kreml-Chef Wladimir Putin die von Russland besetzte Hafenstadt Mariupol im Süden der Ukraine besucht. Wie der Kreml am Sonntag mitteilte, flog Putin mit einem Hubschrauber in die durch russische Bombardements weitgehend zerstörte Stadt und unternahm vor Ort mit dem Auto eine Stadttour. Am Samstag hatte er bereits anlässlich des neunten Jahrestags ihrer Annexion die ukrainische Halbinsel Krim besucht.

Wie aus Bildern im russischen Staatsfernsehen hervorgeht, fand Putins  Reise nach Mariupol in der Nacht statt. Er ließ sich demnach die nächtliche Beleuchtung Mariupols zeigen und sprach mit Bewohnern. Eine Frau sagte ihm, "wir beten für Sie" und bezeichnete die zerstörte Stadt als "ein kleines Stück Paradies". Laut Kreml besuchte Putin auch ein wiederaufgebautes Musiktheater. Bei einer Präsentation informierte es sich insgesamt über die Wiederaufbau-Arbeiten in der Stadt an. Der Kreml betonte, es habe sich um einen "spontanen Besuch" gehandelt.

Es ist Putins erste Reise in das von Russland kontrollierte Gebiet im Donbass seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022. Mariupol am Asowschen Meer war ab Kriegsbeginn unablässig von Russland bombardiert und belagert worden. Nach Angaben Kiews wurden 90 Prozent der Stadt zerstört und mindestens 20.000 Menschen getötet. 

Am Samstag hatte Putin bereits die annektierte Krim-Halbinsel besucht. Er reiste überraschend in die Hafenstadt Sewastopol, dem Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte, wie das russische Fernsehen berichtete. Putin besuchte dort in Begleitung des örtlichen Gouverneurs Michail Raswoschajew eine Kunstschule. Sewastopol ist nur 240 Kilometer von der Stadt Cherson entfernt, die im November nach einem Rückzug der russischen Truppen von der ukrainischen Armee zurückerobert worden war.

"Unser Präsident Wladimir Wladimirowitsch weiß, wie man überrascht. Im wahrsten Sinne des Wortes", erklärte der Gouverneur im Onlinedienst Telegram. Eigentlich habe Putin per Videokonferenz an der Einweihung der Kunstschule für Kinder teilnehmen wollen. "Aber Wladimir Wladimirowitsch ist persönlich gekommen. Am Steuer. Weil er an so einem historischen Tag wie heute immer bei Sewastopol und seiner Bevölkerung ist." 

Russland hatte die Krim am 18. März 2014 ins eigene Staatsgebiet eingegliedert. Der Annexion war ein von Kiew und der internationalen Gemeinschaft nicht anerkanntes Referendum vorausgegangen. Auf die Annexion folgten Sanktionen westlicher Staaten, die seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine drastisch verschärft wurden.

Putins Besuche erfolgten nur kurze Zeit, nachdem der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) am Freitag einen Haftbefehl gegen den Kreml-Chef wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland erlassen hatte. Während Moskau den Haftbefehl umgehend als "bedeutungslos" erklärt hatte, wurde er am Wochenende von führenden westlichen Politikern begrüßt. 

US-Präsident Joe Biden bezeichnete ihn als "gerechtfertigt". Gleichzeitig aber wies er darauf hin, dass der Internationale Strafgerichtshof nicht von allen Ländern anerkannt werde, auch nicht von den USA. "Niemand steht über Recht und Gesetz", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einem Besuch in Tokio. Der Internationale Strafgerichtshofs sei "eine wichtige Institution, die durch internationale Verträge ihren Auftrag bekommen hat". Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete den Haftbefehl als "historisch".

Nach den Worten des IStGH-Chefanklägers Karim Khan (Wikipedia) könnte Putin nun verhaftet werden, wenn er in einen der 123 Vertragsstaaten des IStGH reist. "Ich rechne damit, dass der IStGH zügig auf Interpol sowie die Vertragsstaaten zugehen und sie um Vollstreckung ersuchen wird", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) der "Bild am Sonntag". "Deutschland ist dann verpflichtet, Präsident Putin, wenn er deutsches Territorium betritt, zu inhaftieren und an den IStGH zu übergeben." 

Völkerrechtler Professor Marcel Kau von der Universität Konstanz bezeichnete den Haftbefehl in der BamS als "eine einschneidende Maßnahme mit weitreichenden rechtlichen und – im Hinblick auf Putins Bewegungsfreiheit – tatsächlichen Folgen".

In der Ukraine setzten sich derweil die Kämpfe fort. Bei russischen Angriffen auf die Stadt Kramatorsk in der Ostukraine wurden am Samstag nach Angaben des Regionalgouverneurs Pawlo Kyrylenko zwei Menschen getötet und zehn weitere verletzt. 

oer/ans


© Agence France-Presse