Das für bundesweites Aufsehen sorgende Münchner Missbrauchsgutachten führt zu keinen neuen strafrechtlichen Ermittlungen. Zum Abschluss ihrer Ermittlungen zu in dem Gutachten aufgeführten Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising teilte die Staatsanwaltschaft München I am Dienstag mit, dass viele der Vorwürfe verjährt oder strafrechtliche Ermittlungen bereits abgeschlossen waren oder keine ausreichend belastbaren Beweise vorlagen.
Nach dem Bericht der Staatsanwaltschaft ließen sich auch Vorwürfe gegen den an Silvester gestorbenen Papst Benedikt XVI., den früheren Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger (Wikipedia) , wegen Beihilfe nicht erhärten. Ratzinger sei in zwei Fällen als Beschuldigter geführt worden. Dabei sei es um den Verdacht gegangen, dass er als damaliger Bischof durch Personalentscheidungen Beihilfe zu später begangenen, noch nicht verjährten Missbrauchstaten eines Priesters geleistet zu haben.
Unter den zwei Fällen war auch der Fall des Priesters Peter H., der als verurteilter Pädophiler 1980 aus dem Bistum Essen nach München gekommen war und dort trotz seiner bekannten Verurteilung weiter im Gemeindedienst eingesetzt wurde. Es habe aber keinen hinreichenden Verdacht strafbaren Handelns gegeben. Auch beim emeritierten Münchner Kardinal Friedrich Wetter und dem früheren Generalvikar Gerhard Gruber, die ebenfalls im Fall H. als Beschuldigte geführt wurden, konnte der Vorwurf strafbarer Beihilfe nicht belegt werden.
Der Leiter der Münchner Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst, sagte, der Vorwurf der Beihilfe unterliege strengen rechtlichen Voraussetzungen. So dürften Missbrauchstaten nicht verjährt sein. Zudem müsse ein Missbrauch billigend in Kauf genommen werden.
Wie die Ermittler feststellten, wurde der unter Ratzinger nach München gekommene Priester H. unter Kardinal Wetter weiter im Gemeindedienst mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt, obwohl ein Therapeut ausdrücklich davor gewarnt hatte. H. habe danach weitere Kinder missbraucht, diese Taten seien aber verjährt - damit sei auch eine mögliche Beihilfe verjährt.
Kornprobst verwahrte sich gegen Vorwürfe, die Justiz sei zu milde mit der Kirche umgegangen. Es gebe in der Münchner Staatsanwaltschaft keine Hemmungen, gegen Geistliche zu ermitteln. Außerdem wies der Oberstaatsanwalt Vorwürfe zurück, das Münchner Erzbistum habe Vorwürfe gegen Geistliche vertuschen wollen. Das Verhalten der Diözese unter Kardinal Reinhard Marx (Wikipedia) sei geprägt von "uneingeschränkter Kooperation". "Wir haben alle Unterlagen immer sofort bereitwillig erhalten", sagte Kornprobst.
ran/cfm © Agence France-Presse