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Medikamente müssen da sein

Lieferengpässe bei Arzneimitteln sollen enden - Krankenkassen dagegen

Die Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln stellen zahlreiche Menschen mit Gesundheitsbeschwerden vor große Probleme.

Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der das Problem beheben soll. Ein Kernpunkt: Der Kostendruck auf die Pharmahersteller soll gesenkt werden, damit der Verkauf der Medikamente in Deutschland lohnenswerter wird - etwa durch Abschaffung von Festbeträgen und Rabattverträgen. Die Kosten für die medizinische Versorgung dürften dadurch steigen. Von den Krankenkassen kam scharfe Kritik.

"Auch in der Arzneimittelversorgung haben wir es mit der Ökonomisierung übertrieben", erklärte Minister Lauterbach nach dem Kabinettsbeschluss. "Das korrigiert die Bundesregierung mit Augenmaß." Deutschland solle "wieder attraktiver als Absatzmarkt für generische Arzneimittel" werden.

Lieferengpässe bei bestimmten Medikamenten sorgen seit Monaten immer wieder für Schlagzeilen. Zuletzt war dem Bundesgesundheitsministerium zufolge in manchen Bereichen auch die Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln gefährdet - etwa bei Krebsmitteln und bei Antibiotika. Auch bei bestimmten Kinderarzneimitteln wie Fiebersäften gab es teilweise erhebliche Probleme.

Aus den Reihen der Krankenkassen kam umgehend Kritik an Lauterbachs Plänen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erklärte, höhere Ausgaben schafften nicht zwangsläufig mehr Liefersicherheit. Die Regierung setze indessen "alles auf eine Karte: mehr Geld für die Pharmaindustrie", kritisierte dessen Vorstandsmitglied Stefanie Stoff-Ahnis am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Die Lieferprobleme hätten vielfältige Ursachen. 

Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der AOK (Wikipedia, Webpräsenz) . Eine Freistellung "ganzer Arzneimittelgruppen" von Rabattverträgen und Festbeträgen trage ebensowenig zur Versorgungssicherheit bei wie eine Anhebung von Obergrenzen für Preise, erklärte er. 

Skeptisch äußerte sich auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Wikipedia, Webpräsenz). Lauterbachs Gesetzentwurf enthalte "inhaltliche Mängel", Lieferengpässe würden "auf absehbare Zeit" weiter bestehen bleiben.

Lauterbachs Gesetzentwurf sieht eine ganze Reihe verschiedener Maßnahmen zur Behebung des Problems vor. Die von der Regierung gebilligten Pläne müssen allerdings noch das Parlament passieren. 

Bei Kinderarzneimitteln etwa sollen die Regeln zur Preisgestaltung zwischen Krankenkassen und Herstellern demnach massiv gelockert werden, Festbeträge und Rabattverträge werden in diesem Bereich künftig komplett abgeschafft. Außerdem dürfen Pharmaunternehmen ihre Preise laut Gesetzentwurf einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt für sie geltenden Festbetrages anheben. 

Dies liefere den Firmen einen "Anreiz", wieder mehr Kindermedikamente nach Deutschland zu liefern, da deren Verkauf wieder profitabel werde, betonte Lauterbach. Dies sei zuletzt nicht mehr der Fall gewesen. Er wolle "nicht noch einmal" eine Situation wie im Winter erleben, als diese in Deutschland nicht verfügbar gewesen seien, in den benachbarten Niederlanden allerdings schon. "Das ist kein ehrbarer Zustand, wir sind ein wohlhabendes Land."

Zum Zweck der Versorgungssicherheit will Lauterbach den Herstellern auch in anderen Bereichen entgegenkommen. Bei versorgungskritischen Medikamenten dürfen sie im Fall einer "Marktverengung" bei zu wenigen Anbietern daher Festbeträge laut Entwurf ebenfalls einmalig um bis zu 50 Prozent anheben.

Viel verspricht sich der Minister nach eigenen Angaben zudem von einer Änderung bei der Zuzahlungsbefreiungsregeln. So sollen die Krankenkassen Medikamente künftig schon dann von der Zuzahlung befreien können, wenn ihr Preis 20 Prozent unter dem Festbetrag liegt. Bisher sind es 30 Prozent. Das verbessere die "Gewinnmarge" der Hersteller erheblich, sagte Lauterbach.

Sein Entwurf sieht im Bereich der von Engpässen betroffenen patentfreien Antibiotika darüber hinaus aber auch eine Stärkung der Produktion in Europa vor. So soll bei Ausschreibungen durch die Kassen künftig zusätzlich auch der günstigste Anbieter zum Zug kommen, der mindestens 50 Prozent der Produktion der entsprechenden Arznei in Europa vornehme. Künftig könnte das System Lauterbach zufolge auch auf Krebsmedikamente ausgedehnt werden.

Außerdem sollen Vorräte für wichtige Medikamente für drei Monate angelegt werden, bei Antibiotika soll sogar eine Reserve für sechs Monate aufgebaut werden.

Die Mehrkosten durch sein Gesetz könnten Lauterbach zufolge nach groben Berechnungen im Bereich eines "mittleren dreistelligen Millionenbetrags" liegen. Eine genauere Abschätzung sei vorab wegen der vielen Faktoren nicht möglich, räumte er ein. Gegenmaßnahmen seien aber notwendig. "Wir müssen uns klar bewegen", sagte der Minister. Kritik an dem Entwurf wies er zurück.

bro/pw © Agence France-Presse




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