In einer Woche gehen die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz - doch die FDP-Fraktion will nicht ganz von der Kernkraft lassen: Die AKW sollten "bis zur vollständigen Substitution des russischen Erdgases durch andere Quellen - voraussichtlich im Frühjahr 2024 - reaktivierbar bleiben", heißt es in einem Grundsatzpapier zum Thema Energiepolitik, das am Samstag der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Darin fordern die Liberalen auch, die umstrittene Fracking-Technologie zur Gasförderung zu erlauben.
Das 14-seitige Papier trägt den Titel "Mission Tomorrow: Energiesouveränität als Antwort auf den russischen Energiekrieg". Zuerst hatte die "Welt am Sonntag" darüber berichtet.
Unter der Überschrift "Die Potentiale der Kernkraft erhalten" heißt es in dem Papier unter anderem: "Wir sind überzeugt, dass die Reihenfolge des Ausstiegs aus den bestehenden Kern- und Kohlekraftwerken in Deutschland mit Blick auf das Klima die falsche ist." Zwar sei laut Bundeswirtschaftsministerium der Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke nicht notwendig, die FDP-Fraktion halte sie aber "zur Absicherung der Preisstabilität" für "wünschenswert". Für rund ein Jahr sollten die Meiler zumindest betriebsbereit bleiben.
Am 15. April gehen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim und Emsland vom Netz. Die Betreiber haben die Stilllegung bereits vorbereitet.
Die Grünen bekräftigten am Wochenende ihre ablehnende Haltung zur Atomkraft und verwiesen auf eine neue Studie der TU Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Atomstrom ist ein Milliardengrab und nur hochsubventioniert und durch planwirtschaftliche Eingriffe überhaupt rentabel zu betreiben", erklärte der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner.
In der im Auftrag der Grünen-Fraktion verfassten Studie heißt es, seit Beginn des Atomzeitalters "war Atomkraft die teuerste Möglichkeit zur Erzeugung von Strom – und heute sind die erneuerbaren Energien wie Wind und PV um ein Vielfaches günstiger". Forderungen nach dem Weiterbetrieb der Kernkraftwerke in Deutschland oder gar neuen Anlagen entbehrten "jeglicher ökonomischen Grundlage".
Die FDP-Fraktion wiederum fordert auch, die Nutzung der umstrittenen Fracking-Technologie zu ermöglichen. "Eine temporär beschränkte Gewinnung fossiler Ressourcen in Deutschland ist ökologisch vorteilhaft gegenüber dem Import und erhöht unsere Energiesouveränität." Beim Fracking wird in tief liegenden Gesteinsschichten enthaltenes Erdgas mit Chemikalien und Druck extrahiert. Das Verfahren ist in Deutschland unter anderem wegen einer möglichen Beeinträchtigung des Grundwassers seit 2017 verboten.
"Primär setzen wir allerdings auf den starken Ausbau der Erneuerbaren Freiheitsenergien", heißt es in dem FDP-Papier weiter. "Windkraft, Wasserkraft, Solar oder Biomasse sind als vorhandene Ressourcen gut nutzbar." Daneben fordert das Papier Offenheit für verschiedene Technologien, die bisher nicht am Markt verfügbar sind, etwa laserbetriebene Kernfusion oder die Verwendung von E-Fuels, also synthetisch erzeugten Kraftstoffen, im Gebäudebereich.
"Energie muss wieder für alle Menschen und Unternehmen in diesem Land bezahlbar werden", sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, zu AFP. "Zudem müssen wir die Krisenfestigkeit unseres Energiesystems stärken, mit einem breiten Technologiemix und einer Absicherung gegen Angriffe auf unsere Energiepreise."
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