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Keine Waffenruhe im Sudan in Sicht

Bei der UNO gingen Berichte über sexuelle Gewalt gegen humanitäre Helfer ein, Diplomaten wurden angegriffen.

Im Sudan ist auch der zweite Anlauf für eine Waffenruhe gescheitert. Augenzeugen berichteten von anhaltenden Gefechten in der Hauptstadt Khartum bis in die Nacht zum Donnerstag, obwohl sich beide Konfliktparteien zu einer 24-stündigen "umfassenden Waffenruhe" ab Mittwoch 18.00 Uhr bereit erklärt hatten. Tausende Menschen flohen angesichts der seit dem Wochenende anhaltenden Gefechte aus der Stadt.

"In Khartum zu leben ist unmöglich, wenn dieser Krieg nicht aufhört", sagte die 33-jährige Alawaja al-Tajeb beim Verlassen der Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt. Sie habe versucht, ihren Kindern den Anblick der Leichen auf den Straßen zu ersparen - doch ihre Kleinsten seien bereits traumatisiert.

In dem nordostafrikanischen Land liefern sich Einheiten der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz seit Samstag erbitterte Kämpfe. Zuvor war eine Einigung zur Eingliederung der RSF in die Armee gescheitert.

Für die in ihren Wohnungen festsitzenden Zivilisten in Khartum wird die Lage immer aussichtsloser: Die Nahrungsmittel-Vorräte schwinden, der Strom fällt aus, Trinkwasser fehlt. Bereits am Dienstag war die Aussicht auf eine Evakuierung der Menschen zerstört worden, nachdem eine humanitäre Feuerpause nur Minuten nach ihrem Inkrafttreten wieder gebrochen worden war.

Der 43-jährige Regierungsangestellte Mohamed Saleh sagte AFP, er wolle "den Terror der Explosionen" hinter sich lassen und bei Verwandten in Madani südöstlich der Hauptstadt unterkommen. "Wir waren sehr besorgt, dass die Kämpfer damit anfangen, Häuser zu stürmen", sagte er. 

Die US-Botschaft forderte in einer Erklärung, die von 14 weiteren diplomatischen Vertretungen im Sudan mit unterzeichnet wurde, die Konfliktparteien müssten es "unterlassen, unrechtmäßig die Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben". Die Kämpfe brächten "die sudanesische Bevölkerung, Diplomaten und humanitäre Helfer rücksichtslos in Gefahr".

Bei der UNO gingen Berichte über sexuelle Gewalt gegen humanitäre Helfer ein, Diplomaten wurden angegriffen. Die Pläne zur Evakuierung ausländischer Staatsbürger waren schwer umzusetzen. Die Bundeswehr musste laut "Spiegel" vom Mittwoch eine erste Evakuierungsaktion wegen der anhaltenden Kämpfe in Khartum abbrechen.

UN-Generalsekretär António Guterres wollte am Donnerstag Gespräche mit den Vorsitzenden der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga und der Regionalen Entwicklungsbehörde führen, wie sein Sprecher mitteilte.

Nach Angaben der sudanesischen Armee wurde die Zentralbank der verarmten Landes geplündert. "Hohe Geldsummen" seien von der RSF-Miliz gestohlen worden, erklärte die Armee. Die Miliz warf den Soldaten vor, "Häuser von Familien anzugreifen".

Durch die Kämpfe seit Samstag sind nach Schätzungen der Botschaften mehr als 270 Zivilisten getötet worden. Die tatsächliche Opferzahl dürfte aber weit höher liegen. Von 59 Kliniken in Khartum sind nach Angaben der Ärztegewerkschaft etwa zwei Drittel "außer Betrieb". 

Die Kämpfe sind das Ergebnis eines tiefen Risses zwischen der Armee und der paramilitärischen RSF, die 2013 von dem - später von Armee und RSF gemeinsam gestürzten - Langzeit-Herrscher Omar al-Baschir gegründet worden war. Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und RSF-Anführer Mohamed Hamdan Daglo waren seit der Machtübernahme 2019 Verbündete, trotz mancher Spannungen. 

Im Oktober 2021 führten beide auch den Militärputsch gegen die zivile Regierung an, wodurch der international unterstützte Übergang zur Demokratie gestoppt wurde. Daglo, genannt Hemeti, nennt den Putsch inzwischen einen "Fehler", während al-Burhan weiter daran festhält. Am Samstag dann brachen heftige Kämpfe zwischen den einstigen Verbündeten aus. 

ck/jes


© Agence France-Presse