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Gantz in Israel gewählt

In seiner Antrittsrede rief Gantz zur Bildung einer Einheitsregierung auf - eine solche hatte zuvor auch schon Netanjahu gefordert.


Im Machtkampf in Israel ist überraschend Benny Gantz zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt worden. Für den Rivalen von Regierungschef Benjamin Netanjahu stimmten am Donnerstag 74 Abgeordnete, 18 votierten gegen ihn. Dabei erhielt Gantz viele Stimmen aus dem Lager Netanjahus, was auf eine mögliche Einigung der beiden Politiker auf eine Machtteilung hindeutete. In seiner Antrittsrede rief Gantz zur Bildung einer Einheitsregierung auf - eine solche hatte zuvor auch schon Netanjahu gefordert.

"Dies sind ungewöhnliche Zeiten und sie rufen nach ungewöhnlichen Entscheidungen", sagte Gantz mit Blick auf das Coronavirus, mit dem sich auch in Israel schon mehr 2000 Menschen infiziert haben. "Deshalb will ich die Möglichkeiten für die Bildung einer Einheitsregierung ausloten." Eine Einheitsregierung von Gantz' Liste Blau-Weiß mit dem Likud von Netanjahu würde die politische Krise beenden, in der Israel seit mehr als einem Jahr steckt.

Das Amt des Parlamentspräsidenten war erst am Mittwoch durch den überraschenden Rücktritt des bisherigen Amtsinhabers Juli Edelstein frei geworden. Edelstein ist Mitglied von Netanjahus konservativem Likud und ein Vertrauter des Regierungschefs. 

Allgemein war erwartet worden, dass Gantz einen seiner Vertrauten als Kandidaten für die Nachfolge ins Rennen schickt. Überraschend präsentierte er dann aber seine eigene Kandidatur - einen Gegenkandidaten gab es nicht. Indem Gantz nun Parlamentspräsident ist, haben er und seine Liste Blau-Weiß de facto die Kontrolle über die politische Agenda übernommen.

Israel blickt auf ein Jahr politischer Turbulenzen zurück, nachdem es bei drei Parlamentswahlen keinen eindeutigen Sieger gab. Auch die vorgezogene Parlamentswahl Anfang März brachte keine klaren Mehrheitsverhältnisse. Das oppositionelle Lager um Gantz erreichte mit 62 Mandaten einen hauchdünnen Vorsprung in der Knesset, Netanjahus Likud und seine rechten Verbündeten kamen auf 58 Sitze.

Israels Präsident Reuven Rivlin beauftragte in der vergangenen Woche Gantz mit der Regierungsbildung. Bereits nach den Wahlen im vergangenen September und April waren sowohl Netanjahu als auch Gantz an der Regierungsbildung gescheitert; Netanjahu führt die Regierung seither geschäftsführend weiter.

Der unter Korruptionsanklage stehende Regierungschef forderte Gantz mehrfach auf, sich angesichts der Corona-Krise einer Einheitsregierung mit ihm anzuschließen, in der das Amt des Regierungschefs zwischen beiden Rivalen rotieren würde. Netanjahu hat wegen der Pandemie strikte Sicherheitsmaßnahmen verhängt. Bislang haben sich mehr als 2000 Israelis infiziert.

jes/ju

© Agence France-Presse