Das Bundesministerium der Justiz hat heute einen Referentenentwurf „zur Stärkung des Justizstandorts Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit“, kurz: „Justizstandorts-Stärkungsgesetz“ veröffentlicht.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Wir machen die ordentliche Gerichtsbarkeit in Deutschland für große
Wirtschaftsstreitigkeiten attraktiver. Bislang erschwert der dreistufige
Instanzenzug zügige rechtskräftige Entscheidungen und es gibt nur
begrenzte Möglichkeiten für eine Verhandlungsführung in englischer
Sprache. Das wollen wir ändern: Mit einem an den Bedürfnissen der
Parteien orientierten, schnellen und effizienten Gerichtsverfahren
werden wir den Wettbewerb mit anerkannten ausländischen Wirtschafts- und
Schiedsgerichten aufnehmen und den Justizstandort Deutschland auch
international nachhaltig stärken.“
Um dies zu erreichen, sieht der Referentenentwurf im Wesentlichen folgende gesetzliche Maßnahmen vor:
1. „Commercial Chambers“ bei den Landgerichten
Die Länder sollen vorsehen können, dass bestimmte Wirtschaftsstreitigkeiten an ausgewählten Landgerichten vor sog. Commercial Chambers geführt werden. Das Verfahren, einschließlich der Entscheidung, soll vollständig in englischer Sprache geführt werden. Voraussetzung ist, dass sich die Parteien auf die Verfahrenssprache Englisch einigen oder die beklagte Partei dem nicht widerspricht.
2. „Commercial Courts“ bei den Oberlandesgerichten
Die Länder sollen für große privatrechtliche
Wirtschaftsstreitigkeiten ab einem Streitwert von einer Million Euro
erstinstanzliche Spezialsenate bei ihren Oberlandesgerichten einrichten
dürfen („Commercial Courts“). Auch hier kann das Verfahren vollständig
in englischer Sprache stattfinden.
Zudem sind weitere Maßnahmen vorgesehen, die für eine schnelle und
effiziente Verhandlungsführung sorgen: Die Commercial Courts sollen mit
spezialisierten Richterinnen und Richtern besetzt werden, die über sehr
gute Sprachkompetenzen verfügen und Zugriff auf moderne technische
Ausstattung in den Gerichten haben. Zudem ist unter anderem ein
frühzeitiger Organisationstermin vorgesehen, um den Sach- und
Streitstoff zu systematisieren, abzuschichten und um Vereinbarungen zu
einem Verfahrensfahrplan zu treffen.
3. Revision zum Bundesgerichtshof
Gegen eine erstinstanzliche Entscheidung der Commercial Courts soll die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) stets zulässig sein. Eine umfassende Verfahrensführung in englischer Sprache soll – im Einvernehmen mit dem zuständigen Senat des BGH – auch in der Revision möglich sein.
4. Übersetzung, Geschäftsgeheimnisse und Öffentlichkeit
Die englischsprachigen Entscheidungen der Commercial Chambers, der Commercial Courts und des BGH
sollen in die deutsche Sprache übersetzt und veröffentlicht werden.
Dies ermöglicht die Vollstreckung und unterstützt die Rechtsfortbildung.
Die Verfahrensregelungen nach dem Geschäftsgeheimnisschutzgesetz sollen
auf den gesamten Zivilprozess ausgeweitet werden. Künftig soll der
Schutz von Geschäftsgeheimnissen bereits auf den Zeitpunkt der
Klageerhebung vorverlegt werden. Die als geheimhaltungsbedürftig
eingestuften Informationen sollen außerhalb eines gerichtlichen
Verfahrens nicht genutzt oder offengelegt werden dürfen.
5. Videoverhandlungen
Das Bundesministerium der Justiz hat bereits einen Referentenentwurf zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vorgelegt. Damit sollen insbesondere die bereits bestehenden zivilprozessualen Möglichkeiten zur Durchführung von Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen flexibilisiert und erweitert werden. Auch in Verfahren vor den Commercial Chambers/Courts kann Videokonferenztechnik künftig verstärkt eingesetzt werden.
Der Entwurf wurde heute an Länder und Verbände verschickt und auf unserer Homepage veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 2. Juni 2023 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht werden.
Den Entwurf eines Gesetzes finden Sie hier.
Bundesministerium der Justiz