Gut zwei Wochen vor der mit Spannung erwarteten Präsidentschafts- und
Parlamentswahlen in der Türei hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan krankheitsbedingt einen weiteren wichtigen Wahlkampftermin
absagen müsssen.
Der 69-Jährige konnte am Donnerstag nicht persönlich an der Einweihung des ersten Atomkraftwerks des Landes teilnehmen, wie der stellvertretende Vorsitzende der regierenden AKP (Wikipedia) , Erkan Kandemir, am Mittwochabend auf Twitter mitteilte. Weltweit öffneten unterdessen die Wahllokale für im Ausland lebende Türken, in Deutschland sind rund 1,5 Millionen und damit besonders viele Auslandstürken wahlberechtigt.
Erdogan werde der Zeremonie "online beiwohnen", erklärte Kandemir. Es wird zudem erwartet, dass der türkische Präsident mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin sprechen wird, welcher zur Akw-Einweihung eine Videobotschaft senden wollte.
Der Termin galt als einer der wichtigsten Wahlkampfauftritte des Amtsinhabers in dieser Woche. Das Akkuyu-Atomkraftwerk an der türkischen Südküste wurde vom staatlichen russischen Atomunternehmen Rosatom (Wikipedia) gebaut.
Erdogan hat angesichts sinkender Umfragewerte in den vergangenen Wochen zahlreiche Wahlkampfauftritte absolviert. Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Wahl am 14. Mai mit dem Oppositionskandidaten Kemal Kilicdaroglu (Wikipedia) oder einen Sieg des Sozialdemokraten voraus.
Der islamisch-konservative Staatschef, der nach eigenen Angaben an einer Magenverstimmung leidet, hatte bereits alle Termine am Mittwoch abgesagt. Er ruhe sich "auf Anraten unserer Ärzte zuhause aus", erklärte der 69-Jährige.
Am Dienstag hatte der türkische Präsident ein Live-Interview im Fernsehen abbrechen müssen. Das Programm hatte mit 90 Minuten Verzögerung begonnen und wurde dann nach zehn Minuten mitten in einer Frage durch Werbung unterbrochen. Erdogan kehrte etwa eine Viertelstunde später zurück und entschuldigte sich. "Gestern und heute waren harte Arbeit. Deswegen habe ich eine Magen-Darm-Grippe bekommen", sagte er. Der Politiker sah bleich aus und beendete das Interview wenig später.
Familienministerin Derya Yanik sagte am Donnerstag im türkischen Fernsehen, Erdogan sei auf dem Weg der Besserung. "Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Es geht ihm gut", versicherte sie. "Er wird sein intensives Programm morgen wieder aufnehmen, denke ich."
Chinesische Staatsmedien spekulierten derweil über Erdogans Zustand, der demnach sehr viel schlechter sein könnte, als offiziell berichtet. Präsidentenberater und Mediendirektor Farhettin Altun wies die "gegenstandslosen Behauptungen" im Onlinedienst Twitter "kategorisch" zurück und schrieb mit Blick auf Berichte über einen Herzinfarkt bei Erdogan von "Desinformation".
In der Türkei werden am 14. Mai Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten. In Deutschland und 72 weiteren Ländern weltweit öffneten am Donnerstag bereits die Wahllokale in den türkischen Auslandsvertretungen, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu mit Verweis auf Zahlen der türkischen Wahlkommission YSK berichtete.
Insgesamt 3,4 Millionen im Ausland lebende Türken können demnach bis zum 9. Mai ihre Stimmen abgeben. Allein in Deutschland leben rund 1,5 Millionen stimmberechtigte Türken. Abgestimmt werden kann zudem bis zum Wahltag an den Grenzübergängen zur Türkei. Eine Briefwahl ist gemäß türkischem Recht nicht möglich.
Bei den letzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei 2018 machten rund 50 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Die Unterstützung für Erdogan war in Deutschland damals deutlich stärker als in der Türkei selbst.
Sollte kein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen, kommt es am 28. Mai zu einer Stichwahl.
ma/kas/cp © Agence France-Presse