Zwischen China und der EU bahnt sich ein Streit über neue Strafmaßnahmen gegen Russland an. Chinas Außenminister Qin Gang warnte die EU am Dienstag bei einem Besuch in Berlin davor, ihre Pläne für ein Exportverbot für chinesische Unternehmen wegen Geschäften mit Russland umzusetzen - dies würde eine "strenge" Reaktion Pekings nach sich ziehen, sagte er. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte China bei einem Treffen mit Qin auf, den Export rüstungsrelevanter Güter nach Russland zu unterbinden.
Die Sanktionen der EU gegen Russland dürften "nicht über Umwege unterwandert werden", mahnte Baerbock. Sie bezog sich damit auf die Lieferung so genannter Dual-use-Güter, die zivil, aber auch militärisch eingesetzt werden können. "Wir erwarten auch von China, dass es auf seine Firmen in dem Sinne entsprechend einwirkt."
Die EU-Kommission bereitet derzeit ein neues Sanktionspaket gegen Russland vor. Dabei sollen nach AFP-Informationen erstmals acht Unternehmen aus China mit Exportverboten belegt werden, weil sie Dual-use-Güter nach Russland liefern.
Chinas Außenminister Qin warnte Brüssel vor einem solchen Schritt. Die Volksrepublik würde in einem solchen Fall "streng reagieren, um die legitimen Interessen unseres Landes und unserer Unternehmen zu verteidigen", sagte er.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Minister traten die tiefen Differenzen zwischen Berlin und Peking in der Frage des Umgangs mit Russland zutage. Während Baerbock die russischen Angriffe scharf kritisierte und einen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine forderte, vermied der chinesische Minister Schuldzuweisungen an die Kriegsparteien. China unterhält enge wirtschaftliche und politische Verbindungen zu Russland.
Baerbock forderte die Volksrepublik auf, ihren Einfluss zu nutzen, um Russland zu einer Beendigung der Angriffe zu bewegen: "China kann als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für die Beendigung des Krieges eine bedeutende Rolle spielen, wenn es sich dazu entscheidet."
Baerbock zitierte einen Ausspruch des südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu: "Neutralität bedeutet, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen." Deshalb sei es Leitlinie der Bundesregierung, "deutlich zu machen, dass wir an der Seite des Opfers stehen".
Minister Qin vermied eine Positionierung auf Seiten eines der Konfliktgegner. Er sagte: "Wir fordern alle Seiten auf, den Krieg zu beenden und die friedliche Verhandlungen aufzunehmen." China wolle dabei "nicht Öl ins Feuer gießen". Auf die Frage eines Journalisten, ob China die russischen Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine verurteile, antwortete Qin ausweichend.
In der Pressekonferenz kam auch die kurzfristig von China anberaumte Verschiebung des geplanten Besuchs von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Peking zur Sprache - diese war in Deutschland als Ausladung interpretiert worden. Qin beteuerte: "Herr Finanzminister Lindner ist natürlich bei uns willkommen." Die Verschiebung habe terminliche Gründe gehabt "und soll auch nicht überinterpretiert werden", sagte Qin.
Lindner hatte kurz vor Qins Besuch für eine Neuausrichtung des Verhältnisses zu China geworben. Es gehe um "einen selbstbewussten und realistischen Umgang mit China" und "ein weniger samtpfötiges Auftreten", sagte er in dem Podcast The Pioneer Briefing. "Wir lassen uns unsere liberalen Werte nicht für gute Geschäfte abkaufen."
In der Frage der Menschenrechte bekräftigten beide Seiten ihre bekannten unterschiedlichen Positionen. Baerbock sagte, zu einem "echten und ehrlichen Dialog" gehöre es, Verletzungen der Menschenrechte anzusprechen. Qin wiederholte daraufhin die bekannte Position Pekings: China sei dagegen, "dass die ausländische Seite sich in unsere internen Angelegenheiten einmischt".
Konkreter Anlass für den Besuch von Außenminister Qin in Berlin war die Vorbereitung der nächsten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die noch vor der Sommerpause stattfinden sollen.
Deutschland und China sollten "bei allen Unterschieden auch immer das verbindende Miteinander finden", sagte Baerbock. Auch Qin betonte, dass China die Bundesrepublik trotz vieler Differenzen als "wichtigen strategischen Partner" sehe.
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