Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Christine,
Exzellenzen,
sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitarbeitende der EZB,
liebe Freundinnen und Freunde,
meine Damen und Herren,
kurz
nach meiner Amtseinführung als Finanzminister habe ich zum ersten Mal
die EZB-Türme besucht. Mir war es wichtig, damals gleich zu Beginn
meiner Amtszeit hierher nach Frankfurt zu kommen.
Weil die EZB die Garantin unserer gemeinsamen Währung ist.
Weil Europa mit dem Euro für uns alle im Alltag konkrete Realität geworden ist.
Und weil Europas großer Binnenmarkt von einer der größten Währungen der Welt ergänzt wird, die uns auf globaler Ebene zunehmend Stärke verleiht.
Und
der Euroraum wächst weiter: Ich freue mich, dass Anfang des Jahres
Kroatien unserer Währungsunion beigetreten und damit zum 20. Mitglied
unserer Euro-Familie geworden ist. Auch andere Länder verfolgen dieses
Ziel, und ich bin zuversichtlich, dass in Zukunft noch weitere Länder
folgen werden.
Letztlich hat sich der Euro als eines der erfolgreichsten Projekte der europäischen Integration erwiesen.
Hinter
dieser leicht lakonischen Feststellung verbirgt sich eine gewaltige
Menge harter Arbeit. Arbeit, die hier bei der EZB geleistet wird, aber
auch in Brüssel und in all unseren Mitgliedstaaten.
Unsere
gemeinsame Währung wurde wiederholt auf die Probe gestellt – manchmal
sogar unser entschiedenes Bekenntnis zum Euroraum selbst.
Ob
Finanzkrise, Staatsschuldenkrise, COVID-19-Pandemie oder die
wirtschaftlichen Auswirkungen von Russlands Krieg gegen die Ukraine –
für nichts davon gab es vorgefertigte Lösungsansätze.
Deshalb ist
es umso bemerkenswerter, dass wir heute eines ganz klar festhalten
können: Der Euroraum ist in der Lage, seine Währung gegenüber allen
Herausforderungen zu verteidigen.
Der Euro ist unumkehrbar.
Die EZB hat dabei eine einzigartige Rolle gespielt.
Ich
danke Ihnen dafür, dass Sie, lieber Jean-Claude Trichet, lieber Mario
Draghi, liebe Christine Lagarde, unsere Währung geschützt haben. Unser
Dank gilt natürlich auch Wim Duisenberg, der leider viel zu früh von uns
gegangen ist.
Sie haben in den letzten 25 Jahren unsere
Geldpolitik geleitet und geprägt. Und als es darauf ankam, haben Ihre
Worte und Taten entscheidende Wirkung entfaltet.
Als viele befürchtet oder gar darauf gesetzt haben, dass die Eurozone auseinanderbrechen würde, blieb die EZB ihrem Mandat treu.
Und es genügten ein paar Worte von Ihnen, lieber Mario, um die Märkte zu beruhigen:
„Whatever it takes.“
Ich
glaube, dass diese Worte nicht nur die Märkte beruhigt haben, ich bin
auch überzeugt, dass sie in die Geschichtsbücher eingehen werden.
Und
Sie, liebe Christine, sagten während der COVID-19-Pandemie, dass
außergewöhnliche Zeiten außerordentliche Maßnahmen erfordern.
Die Grundlage und der Handlungsspielraum hierfür werden klar durch die Zuständigkeit und das Mandat der EZB definiert.
In
diesen entscheidenden Momenten hat Ihre Führungsstärke dafür gesorgt,
dass die Welt Vertrauen in unsere gemeinsame Währung hatte.
Die
EZB wurde 1998 als eine starke und unabhängige Zentralbank gegründet und
mit einem klaren Mandat ausgestattet: die Preisstabilität im Euroraum
zu gewährleisten.
Und nach den ersten 25 Jahren können wir sagen, dass unsere gemeinsame Währung in der Tat attraktiv, sicher und stabil ist.
Auch
als es nötig wurde, eine gemeinsame Bankenaufsicht für große
Finanzinstitutionen zu schaffen, war die EZB zur Stelle: Bei ihr wurde
der neue einheitliche Aufsichtsmechanismus angesiedelt und in Rekordzeit
aufgebaut.
Wir können mit Sicherheit sagen: Die EZB ist ein
Anker der Stabilität in der Eurozone. Oder, wie es in dem Video so schön
heißt: Stabilität ist euer Ding.
Das gibt unseren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, auch in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage.
Russlands
Angriffskrieg gegen die Ukraine ist in erster Linie eine Katastrophe
für die tapferen Ukrainerinnen und Ukrainer. Doch er stellt auch unsere
Länder auf bisher beispiellose Art und Weise auf die Probe. Eine Probe,
das möchte ich hinzufügen, die wir bisher bestanden haben, weil wir
geschlossener als je zuvor zusammenstehen.
Letztes Jahr waren die Inflationsraten so hoch wie nie seit Einführung des Euro.
Die Folgen sind für die Bürgerinnen und Bürger überall in Europa spürbar.
Menschen mit den niedrigsten Einkommen und mit wenigen Ersparnissen trifft es am härtesten.
Deshalb
ist es gut zu wissen, dass, auch während wir hier heute Abend dieses
Jubiläum feiern, die EZB unablässig daran arbeitet, die Inflation zu
bekämpfen.
Ich unterstütze diese Bemühungen voll und ganz – falls
ich das mit allem gebührlichen Respekt für die Unabhängigkeit der EZB
so sagen darf.
Diese Unabhängigkeit ist von entscheidender Bedeutung für eine stabile und glaubwürdige Geldpolitik.
Denn letztlich hängt der Wert einer Währung zu einem Großteil von Vertrauen ab.
Vertrauen
in die Institutionen, die für diese Währung verantwortlich sind. Ohne
Vertrauen haben weder Papiergeld noch elektronisches Geld einen echten
Wert.
Das heißt nicht, dass Stabilität und Vertrauen dem Fortschritt im Wege stünden – ganz im Gegenteil.
Die
Arbeit an einem digitalen Euro ist ein ehrgeiziges und
zukunftsorientiertes Projekt, das die europäische Souveränität stärken
wird. Damit sein volles Potenzial zum Tragen kommt, sollten wir dafür
sorgen, dass er so breit wie möglich von Privat- und Geschäftskunden
genutzt werden kann.
Für eine Stärkung der Eurozone sind auch
Fortschritte bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben nötig. Als
Mitgliedstaat der Europäischen Union müssen wir hierzu unseren Beitrag
leisten.
Die Vollendung der Kapitalmarktunion ist unabdingbar, um
die größte Herausforderung anzugehen, die vor uns liegt: den Übergang
unserer Volkswirtschaften und unserer Gesellschaften zur
Klimaneutralität.
Darüber hinaus, und das habe ich bereits in
meiner Zeit als Finanzminister betont, besteht die offensichtliche
Notwendigkeit, unsere Arbeit an der Bankenunion fortzusetzen.
Dabei
streben wir gezielte und wirksame Verbesserungen an, wobei wir auf
bewährten Lösungen aufbauen, die in den Mitgliedstaaten bereits
Anwendung finden.
Und, meine Damen und Herren, wir leisten
unseren Beitrag auch, wenn es darum geht, die Arbeit der EZB bei der
Umsetzung ihres zentralen Mandats zu unterstützen.
Genauso wie es
richtig war, dass alle EU-Mitgliedstaaten während der Corona-Pandemie
eine expansive Fiskalpolitik betrieben haben – denken wir nur an unsere
wegweisende Einigung auf Next Generation EU –, genauso notwendig ist es
jetzt, unsere Fiskalpolitik erneut anzupassen und darauf zu achten, den
Inflationsdruck zu begrenzen.
In diesem Sinne müssen wir mit der EZB bei der Inflationsbekämpfung zusammenarbeiten.
Ich
möchte nicht zuletzt auch unterstreichen, meine Damen und Herren, dass
wir stolz sind, das Land zu sein, in dem die EZB ihren Sitz hat.
5000
Angestellte aus ganz Europa sind für die EZB und die europäische
Bankenaufsicht tätig. Der Anteil der Frauen unter ihnen nimmt übrigens
stetig zu.
Und ich gehe stark davon aus, dass das, liebe Christine,
auch mit Ihrer Arbeit und Ihrer Rolle als Wegbereiterin für
Gleichberechtigung zu tun hat.
Als Sie 2019 Präsidentin wurden,
haben Sie damit nicht nur die unsichtbaren Barrieren gesprengt, die den
Aufstieg von Frauen oft erschweren. Sie haben auch ganz konkret den
Bürgerinnen und Bürgern Frankfurts die Türen der EZB geöffnet – und zwar
im Rahmen der diesjährigen Nacht der Museen.
Die EZB stärkt auch
Frankfurts Rolle als wichtiges Finanzzentrum Europas. Und vielleicht
gibt es noch mehr Möglichkeiten, um diese Rolle zu stärken.
Nach
dem Brexit verzeichnete Frankfurt mit Abstand die höchste Anzahl an
Anträgen auf die Erteilung neuer Lizenzen für Banken und andere
Finanzdienstleister.
Es ist daher nur fair zu sagen, dass Ihre
Präsenz, die Präsenz der EZB in Frankfurt, die Stadt prägt, genauso wie
der Euro die Europäische Union prägt, nämlich positiv. Und, wie ich
schon gesagt habe, wird es vielleicht auch neue Institutionen hier
geben.
Mit Blick auf die Zukunft hoffe ich, dass die EZB
weiterhin ein Anker der Stabilität, ein Leuchtfeuer der Unabhängigkeit
und des Vertrauens sowie Wegbereiterin des Fortschritts sein wird, so,
wie wir sie kennen.
Ich danke Ihnen für Ihre harte Arbeit und Ihr Engagement in den letzten 25 Jahren!
Ein
Engagement, das Sie, lieber Jean-Claude, damals bei der Entgegennahme
des Karlspreises eingefordert haben, als Sie sagten: „Jede Generation
muss sich von neuem für Europa engagieren.“
Dem kann ich nur voll
und ganz zustimmen. Lassen Sie uns also heute unser Bekenntnis zu
Europa erneuern, indem wir uns erneut zum Euro bekennen. Damit
Wohlstand, Einheit und Stabilität unserer Europäischen Union gewahrt
bleiben.
Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!
Die Bundesregierung
Foto: Bundesregierung/photothek.net/Thomas Köhler & Thomas Imo
(übersetzte Version; gehalten auf englisch) Mittwoch, 24. Mai 2023 in Frankfurt am Main