Das sächsische Oberlandesgericht hat vier mutmaßliche Linksextremisten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Gericht sprach die Hauptbeschuldigte Lina E. am Mittwoch in Dresden der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig und verhängte gegen die 28-Jährige eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Drei mitangeklagte Männer erhielten Haftstrafen bis zu drei Jahren und drei Monaten.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten zwischen 2018 und 2020 an mehreren Überfällen auf tatsächliche und vermeintliche Neonazis in Wurzen, Leipzig und im thüringischen Eisenach beteiligt waren oder diese zumindest unterstützt hatten. Mehrere Menschen wurden dabei teils schwer verletzt.
"Rechtsextremisten entgegenzutreten ist ein achtenswertes Motiv", sagte der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats in seiner Urteilsbegründung. Jedoch blieben solche Angriffe "schwere Straftaten". Schlüter-Staats betonte, von rechter Gewalt gehe die größte Gefahr aus. Bei aller nachvollziehbaren Kritik an Defiziten bei der Verfolgung rechter Taten liege das Gewaltmonopol jedoch beim Staat.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) warnten vor Selbstjustiz. "Im demokratischen Rechtsstaat darf es keinen Raum für Selbstjustiz geben", erklärte Faeser. Buschmann erklärte, Extremismus dürfe nicht mit Extremismus bekämpft werden. "Recht und Gesetz gelten für alle."
Verurteilt wurden die Angeklagten unter anderem auch wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Diebstahl. Die drei 28 bis 37 Jahre alten mitangeklagten Männer erhielten Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Sie sind bislang im Gegensatz zu E., die seit rund zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, auf freiem Fuß.
Nach Auffassung des OLG wurden die Taten "langfristig vorgeplant" und die Opfer gezielt ausgespäht. E. habe innerhalb der Gruppe "eine herausgehobene Stellung" eingenommen, sagte Schlüter-Staats. Die Aussage eines Kronzeugen, der aus dem Umfeld der Angeklagten stammt, der linksextremistischen Szene inzwischen allerdings nicht mehr angehört, hätten dies bestätigt.
Bei der Urteilsverkündung gab es aus dem mit rund hundert Unterstützern der Angeklagten gefüllten Gerichtssaal laute Unmutsbekundungen. Nach Rufen wie "Schweinejustiz" ließ der Vorsitzende Richter die Sitzung mehrfach unterbrechen. Einige Besucher wurden von Justizbeamten aus dem Saal gebracht, woraufhin die Stimmung zwischenzeitlich eskalierte.
Mit dem Urteil blieb das Gericht unter der Forderung der Bundesanwaltschaft, die für die aus Hessen stammende Studentin acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert hatte. Für die drei Mitangeklagten hatte die Bundesanwaltschaft in dem seit September 2021 laufenden Prozess bis zu drei Jahre und neun Monate Haft beantragt.
Die Verteidigung forderte für E. weitgehend Freispruch. Insbesondere hielten die Anwälte den Vorwurf der Bildung einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung nicht für erwiesen.
Während der Urteilsbegründung bedachten die Unterstützer im Saal die Angeklagten immer wieder mit Beifall. Vor dem besonders gesicherten Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts demonstrierten zudem auch Unterstützer aus der linken Szene.
Für Samstag mobilisiert die linke Szene bundesweit zu einer "Tag-X-Demo" in Leipzig. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. In einem von den Sicherheitsbehörden als linksextremistisch eingestuften Internetportal drohten autonome Gruppen außerdem für jedes Jahr Haft mit bundesweiten Sachschäden in Millionenhöhe.
Faeser warnte, von gewaltbereiten Linksextremisten gehe "eine erhebliche Gefahr" aus. In linksextremistischen Gruppen seien Hemmschwellen gesunken, politische Gegner auch mit äußerster Brutalität anzugreifen. "Diese Radikalisierungs- und Gewaltspirale darf sich nicht weiterdrehen", erklärte die Ministerin. Die Sicherheitsbehörden hätten die gewaltbereite linksextremistische Szene "sehr genau im Blick".
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Andrea HENTSCHEL / © Agence France-Presse