Im Grab des von den Nazis als mutmaßlicher Verursacher des Reichstagsbrands von 1933 hingerichteten Marinus van der Lubbe (Wikipedia) auf dem Leipziger Südfriedhof befinden sich tatsächlich dessen sterbliche Überreste. Das teilte die Stadt Leipzig am Mittwoch unter Berufung auf das Ergebnis eines DNA-Abgleichs mit. Die forensische Untersuchung schafft in dieser Frage demnach nun eindeutige Sicherheit.
Initiiert worden waren die Analysen gemeinsam von der Stadt Leipzig und der örtlichen Paul-Bennhof-Gesellschaft, die sich dem Erhalt und der Pflege von historischen Gräbern verschrieben hat. Spezialisten hatten das van der Lubbe zugeschriebene fast 90 Jahre altes Grab vor rund einem halben Jahr geöffnet und Proben genommen. Deren DNA-Profil wurde mit dem eines Enkels des Bruders van der Lubbes abgeglichen, wobei es eine vollständige Übereinstimmung gab.
Keine Belege fanden die Experten demnach für die von Zeitzeugen und in der späteren Wissenschaft immer wieder diskutierte These, ob van der Lubbe bei seinem mit dem Todesurteil endenden Prozesses unter Drogen gesetzt worden war. Diese entstand, weil er während der Verhandlungen auffällig apathisch wirkte. In den Proben fanden sich bei toxikologischen Untersuchungen nach Angaben der Leipziger Stadtverwaltung keine Hinweise auf Arzneimittelrückstände.
Allerdings schließt dieses Ergebnis eine Verabreichung von Medikamenten oder Drogen auch nicht aus, weil ein wissenschaftlicher Nachweis dem abschließenden Gutachten zufolge wegen der langen Zeitspanne seit van der Lubbes Tod kaum zu erbringen ist. Zersetzungsprozesse seien "hochgradig wahrscheinlich" und verhinderten, dass die Frage eindeutig bejaht oder verneint werden könne.
Der Brand des Berliner Reichstags vom 27. Februar 1933 und das Schicksal des angeblichen Brandstifters van der Lubbe sind historisch von großer Bedeutung, weil das Geschehen eine wichtige Rolle bei der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur spielte. Der aus den Niederlanden stammende und in linken politischen Gruppierungen der Arbeiterbewegung gegen die Nazis aktive van der Lubbe wurde damals in dem brennenden Gebäude festgenommen.
Die Nationalsozialisten, welche die Macht in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vollständig übernommen hatten, stellten den Brand als Beweis für eine staatsgefährdende kommunistische Verschwörung dar. Sie nutzten ihn für Festnahmen politischer Gegner und weitreichende Grundrechtseinschränkungen.
Van der Lubbe wurde später vor dem Leipziger Reichsgericht angeklagt und im Dezember 1933 wegen Hochverrats und Brandstiftung zum Tod verurteilt. Er wurde am 10. Januar 1934 hingerichtet und danach anonym in einem Grab auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt. Das Todesurteil gegen van der Lubbe wurde 2008 von der deutschen Justiz "von Amts wegen" aufgehoben, weil es sich um eine Entscheidung auf Basis nationalsozialistischen Unrechts handelte.
Bis heute ist umstritten, ob van der Lubbe den Brand im Reichstag wirklich allein legte. Es gibt unter Historikern die These, dass er die Tat gestand, um anderen Mitglieder der Arbeiterbewegung zu schützen. Es gibt auch die Theorie, dass er lediglich ein von den Nazis präsentierter Sündenbock war, während das Feuer tatsächlich von diesen gelegt und inszeniert worden war.
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