Zur Eindämmung der Corona-Krise soll im thüringischen Jena ab kommender Woche das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in Supermärkten und im Nahverkehr zur Pflicht werden. Die Stadtverwaltung forderte die Einwohner auf, sich notfalls selbst einen Atemschutz zu nähen. Auch das hessische Hanau rief seine Bürger zur Verwendung einfacher Schutzmasken auf. Das Robert-Koch-Institut (RKI) sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine generelle Mundschutzpflicht.
In Österreich soll das Tragen eines Mundschutzes beim Einkaufen in Supermärkten demnächst Pflicht werden. In Deutschland ist eine solche flächendeckende Maßnahme derzeit kein Thema, die ersten Kommunen preschen aber nun vor.
In Jena soll das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Verkaufsstellen, im öffentlichen Nahverkehr und in Gebäuden mit Publikumsverkehr in einer Woche verpflichtend werden, wie die Stadtverwaltung am Montagabend mitteilte. Neben Masken seien auch Tücher oder Schals als Schutz möglich.
Die Stadt selbst hat nach eigenen Angaben eine "Grundausstattung an Masken, mit der Pflegekräfte, Ärzte, Fahrer im ÖPNV und andere in systemrelevanter Infrastruktur versorgt werden können". Ansonsten wurde die Bevölkerung aufgerufen, für den eigenen Schutz zu sorgen und sich selbst und anderen einen Mund-Nasen-Schutz zu nähen. "Jede Maske ist besser als gar keine Maske."
Im thüringischen Apolda dürfen Bürger das Landratsamt seit Dienstag ebenfalls nur noch mit Mundschutz betreten. "Das Landratsamt muss arbeitsfähig bleiben", begründete die Landrätin des Kreises Weimarer Land, Christiane Schmidt-Rose (CDU), die Entscheidung. Neben handelsüblichen Mundschutzmasken seien auch ein selbstgefertigter Mundschutz, ein dicker Schal oder ein Hals- beziehungsweise Dreiecktuch zulässig.
Auch die Stadt Hanau rief ihre Bürger zum Tragen eines einfachen Mund-Nase-Schutzes in der Öffentlichkeit auf. Das "Schutzmaskengebot" solle das Bewusstsein dafür schärfen, dass jeder sich und andere schützen solle, erklärte Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) am Montag. Die Stadt will bis spätestens Ende dieser Woche eine Nähanleitung bereitstellen.
Der Marburger Bund forderte eindringlich, dass spezielle Atemschutzmasken dem Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen vorbehalten bleiben müsse. Es wäre fatal, wenn nun auch vermehrt Privatpersonen Schutzmasken aufkaufen würden, die für den Gebrauch in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen gedacht seien, sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Susanne Johna, der "Rheinischen Post". Die Schutzmasken seien dort bereits "Mangelware".
Ähnlich sieht es die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt. "Das Tragen von Atemschutzmasken in gut besuchten Räumen, etwa beim Einkauf im Supermarkt oder in der vollen Straßenbahn, kann als Akt der Solidarität vorübergehend sinnvoll sein", erklärte sie. Ein flächendeckender Einsatz mache aber nur Sinn, wenn es ausreichend Masken für alle gebe. "Priorität muss zunächst die Lieferung von Schutzmasken an Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen sein."
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte eine "nationale Notfallproduktion" für medizinisch hochwertige Schutzmasken gegen das Coronavirus. Eine Pflicht zum Tragen von Schutzmasken solle es derzeit aber nicht geben, sagte er im ARD-"Morgenmagazin".
Das RKI gab die Zahl der in Deutschland mit dem Coronavirus infizierten Menschen am Dienstag mit 61.913 an - ein Plus von 4615 seit dem Vortag. Die in der US-Stadt Baltimore ansässige Johns-Hopkins-Universität (JHU) meldete 67.051 Infizierte. Das RKI, das nur die elektronisch übermittelten Zahlen aus den Bundesländern berücksichtigt, registrierte bislang 583 Todesfälle, die JHU 650 Tote.
RKI-Präsident Wieler gab sich weiterhin optimistisch, dass die einschneidenden Maßnahmen im öffentlichen Leben wie Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen Wirkung zeigen würden. Es solle aber bis Ostern abgewartet werden, bis es "handfeste Zahlen" gebe. Auch die Bundesregierung will die strengen Schutzmaßnahmen bis mindestens zum 20. April beibehalten.
hex/cfm
© Agence France-Presse