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Sofortprogramm gegen Ernährungsarmut gefordert

"Trotz eines milliardenschweren Corona-Schutzschirms lässt die Bundesregierung gerade die Schwächsten der Gesellschaft im Regen....."


Soziale Einrichtungen und Verbraucherorganisationen schlagen Alarm: Wegen der Corona-Krise sehen sie die Versorgung von Millionen bedürftiger Menschen in Deutschland bedroht. Von 949 Tafeln bundesweit sind derzeit mehr als 400 geschlossen, wie die Tafel-Organisation in einem Hilferuf an die Bundesregierung am Dienstag erklärte. Mehrere Sozialverbände forderten mehr Geld für die Bezieher von Hartz IV und Grundsicherung. Foodwatch sprach sich für ein Sofortprogramm gegen Ernährungsarmut aus.

In einem Brief an Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) warnte Tafel-Chef Jochen Brühl, die Nachfrage nach den unentgeltlich verteilten Lebensmitteln steige derzeit deutlich. "Unsere ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind in großer Sorge um die 1,65 Millionen Menschen, die sonst Unterstützung von den Tafeln bekommen." 

Viele der 430.000 Rentnerinnen und Rentner sowie 500.000 Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien seien gerade jetzt wirklich auf die Lebensmittel angewiesen. Wegen Jobverlusten und Kurzarbeit wachse die Hilfsbedürftigkeit.

Zudem seien die Tafeln wichtige Anlaufstellen und Begegnungsorte für arme Menschen. "Besonders die älteren unserer Kundinnen und Kunden werden jetzt tagelang alleine in ihrer Wohnung sitzen", gab Brühl zu bedenken. 

In ihrem Brief an Minister Heil forderte die Organisation weitere Hilfen für arme Menschen, die von der Krise besonders stark getroffen seien. Unter anderem sei eine vorübergehende Erhöhung der Hartz-IV-Sätze sinnvoll.

Auch der Paritätische Gesamtverband forderte schnelle Unterstützung für Bezieher von Hartz IV und Grundsicherung im Alter. "Die mit der Corona-Krise verbundene Schließung von Tafeln und anderen Unterstützungssystemen stürzt arme Menschen in existentielle Krisen", erklärte der Verband am Dienstag. Die Regelsätze sollten sofort um 100 Euro pro Monat und Haushaltsmitglied erhöht werden, "um insbesondere eine ausgewogene Ernährung sicherzustellen".

Daneben forderte der Verband eine Einmalzahlung von 200 Euro für "coronakrisenbedingte Mehraufwendungen", etwa Arzneimittel oder erhöhte Energiekosten. Alle Leistungskürzungen, etwa durch Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher, müssten sofort beendet werden.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch warnte, durch die Corona-Krise sei die ausreichende und ausgewogene Ernährung von Millionen Menschen in Deutschland nicht gewährleistet. Sozialminister Heil und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) müssten Einkommensschwache finanziell unterstützen und bundesweite Hilfsangebote koordinieren, um Hunger und Mangelernährung vorzubeugen.

Foodwatch verwies unter anderem darauf, dass Kinder aus Familien mit geringem Einkommen derzeit kein kostenloses Mittagessen in Schule oder Kindergarten bekommen, weil diese Einrichtungen geschlossen sind. Das führe zu erheblichen Mehrkosten für die Familien. Zudem mussten auch Einrichtungen wie die Arche schließen, die armutsgefährdete Kinder mit Essen versorgten.

"Trotz eines milliardenschweren Corona-Schutzschirms lässt die Bundesregierung gerade die Schwächsten der Gesellschaft im Regen stehen", erklärte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Wenn der Staat nicht unverzüglich helfe, werde die Corona-Krise "auch noch zu einem Programm für Hunger und Mangelernährung". 

Auch Foodwatch unterstützte die Forderung nach einer Aufstockung der Regelsätze und forderte die Bundesregierung zudem auf, einen bundesweiten Koordinator für Ernährungssicherheit einzusetzen.

jpf/pw


© Agence France-Presse