Mehr als eine halbe Million Menschen ist im vergangenen Jahr in Deutschland aus der katholischen Kirche ausgetreten. Die Zahl der Austritte stieg mit insgesamt 522.821 auf einen neuen Rekordwert an, wie die Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch in Bonn mitteilte. Im bisherigen Rekordjahr 2021 hatte der Wert noch bei 359.338 gelegen.
Ende 2022 waren damit 24,8 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands katholisch. Rund 20,9 Millionen Mitglieder zählt die katholische Kirche demnach noch. Heruntergebrochen auf die einzelnen Diözesen gab es die meisten Austritte im größten deutschen Bistum Köln. 51.345 Menschen kehrten ihm im Jahr 2022 den Rücken. Dahinter folgte das Bistum München und Freising mit 49.029 Austritten.
Die Austrittszahlen seien alarmierend, erklärte Georg Bätzing, Bischof im hessischen Bistum Limburg. Er forderte ein weiteres konsequentes Handeln, warnte aber vor Resignation bei den Ehren- und Hauptamtlichen. Bätzing, der zugleich Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, rief diese dazu auf, sich nicht entmutigen zu lassen. Ihm sei wichtig, die Beschlüsse des sogenannten synodalen Wegs zur Reform der Kirche umzusetzen.
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, nannte die Zahlen "traurig, aber wenig überraschend". Die Kirche habe besonders durch den Missbrauchsskandal Vertrauen verspielt. "Sie zeigt sich aber aktuell auch nicht entschlossen genug, Visionen für eine Zukunft des Christseins in der Kirche umzusetzen", kritisierte sie.
Zuletzt war das Kölner Erzbistum wieder mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Am Dienstag durchsuchten Ermittler mehrere Räumlichkeiten im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Erzbischof Rainer Maria Woelki wegen Vorwürfen des Meineids. Zudem hatte der Kardinal in der vergangenen Woche zusammen mit drei weiteren konservativen Bischöfen die weitere Finanzierung des synodalen Wegs über den Verband der Diözesen Deutschlands verweigert.
Die evangelische Kirche hatte bereits im März einen Mitgliederschwund von fast drei Prozent mitgeteilt. 380.000 Mitglieder kehrten ihr den Rücken. Die Zahl lag um fast ein Drittel höher als 2021, was auf zahlreiche Sterbefälle zurückgeführt wurde. Ende 2022 gehörten noch 19,1 Millionen Menschen der evangelischen Kirche an.
Nach der Coronapandemie gab es 2021 laut katholischer Deutscher Bischofskonferenz bundesweit leichte Steigerungen bei den meisten Sakramenten. So lag der Anteil der Gottesdienstbesucher Ende 2022 bei 5,7 Prozent, nach 4,3 Prozent 2021. Zudem gab es 155.173 Taufen, nach 141.992 im Jahr zuvor.
Die Zahl kirchlicher Trauungen stieg von 20.140 auf 35.467 deutlich. 162.506 Kinder gingen zur Erstkommunion. Auch diese Zahl wuchs um 5932. Allerdings gingen mit 110.942 weniger junge Menschen zur Firmung. Die Zahl der Bestattungen blieb mit 240.144 nahezu unverändert.
Im vergangenen Jahr verringerte sich die Zahl der Pfarreien auf 9624. Von dem 11.987 Priestern waren 6069 Pfarrseelsorger. Auch diese Zahlen verringerten sich im Vergleich zum Vorjahr. Zudem waren 3184 ständige Diakone in der katholischen Kirche tätig sowie 3117 Pastoralassistenten und -referenten.
Von letzteren waren rund 48 Prozent weiblich. Bei den insgesamt 4167 Gemeindeassistenten und -referenten waren rund 79 Prozent weiblich. 2022 wurden 45 Priester geweiht, davon 33 Welt- und zwölf Ordenspriester.
ald/cfm
© Agence France-Presse