Polen und Ungarn haben aus Protest gegen den Anfang Juni erreichten Asylkompromiss in der Nacht zu Freitag die Verhandlungen der EU-Staats- und Regierungschefs blockiert. Beide Länder hätten erneut die Tatsache kritisiert, dass der Asylkompromiss nicht einstimmig beschlossen worden sei, hieß es in Diplomatenkreisen in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs verließen das Ratsgebäude gegen halb zwei Uhr morgens, ohne sich auf eine Abschlusserklärung geeinigt zu haben.
Am Freitag sollten erneut Migration sowie China und wirtschaftliche Themen auf der Tagesordnung stehen. Polen und Ungarn hatten Anfang Juni als einzige Staaten gegen die geplante Verteilung von Flüchtlingen in der EU gestimmt. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft hatte darauf verwiesen, dass bei dieser Abstimmung gemäß EU-Recht eine qualifizierte Mehrheit ausreichend ist. Der Asylkompromiss muss noch vom EU-Parlament abgestimmt werden.
Polen hatte am Donnerstag in Brüssel gefordert, diese Pläne wieder aufzugeben. Eine Verlegung von Flüchtlingen in ein anderes Land solle nur freiwillig geschehen, heißt es in dem polnischen Vorschlag, der AFP vorliegt. Zudem sollten Mitgliedstaaten selber entscheiden können, wen sie aufnehmen.
Nach dem Asylkompromiss sollen die EU-Länder hingegen verpflichtet werden, eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Länder, sie sich weigern, Migranten aufzunehmen, sollen ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro für jeden Migranten in einen von Brüssel verwalteten Fonds einzahlen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach Angaben von Diplomaten im kleinen Kreis versucht, Polen und Ungarn Zugeständnisse abzuringen. Bei seiner Ankunft beim Gipfel hatte er den polnischen und ungarischen Wunsch nach einer Neuverhandlung zurückgewiesen und den Asylkompromiss als "Durchbruch" bezeichnet.
Polen hat derzeit mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Das Land weigert sich aber seit langem, Flüchtlinge aufzunehmen, die über Italien oder Griechenland in die EU kommen.
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