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Meinungsäußerung oder Diskriminierung?

Oberstes US-Gericht schwächt LGBTQ-Schutz und kippt Bidens Studienschuldenerlass

Der konservativ dominierte Oberste Gerichtshof der USA hat den Schutz der LGBTQ-Gemeinschaft vor Diskriminierung geschwächt und einen milliardenschweren Erlass von Studienschulden durch Präsident Joe Biden gekippt. Der Supreme Court in Washington gab am Freitag zum Abschluss des regulären Gerichtsjahres einer christlichen Grafikdesignerin Recht, die keine Internetseiten für Hochzeiten von Homosexuellen erstellen will. Das Verfassungsgericht verwarf in einer zweiten Entscheidung Bidens Plan, Studienschulden von mehr als 400 Milliarden Dollar zu streichen.

Im Fall der Grafikdesignerin entschied der Supreme Court, an dem konservative Richter eine klare Mehrheit von sechs der neun Posten innehaben, die Weigerung der Klägerin, Internetseiten für Hochzeiten Homosexueller zu erstellen, sei durch die im ersten Verfassungszusatz verankerte Meinungsfreiheit gedeckt. Der Bundesstaat Colorado dürfe die Webdesignerin nicht zwingen, Botschaften zu erstellen, mit denen die Frau nicht einverstanden sei.

Webdesignerin Lorie Smith hatte gegen ein Gesetz in Colorado geklagt, das Unternehmen eine Diskriminierung auf Grundlage von Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung verbietet. Die Christin argumentiert, Internetseiten für Hochzeiten homosexueller Paare zu entwerfen würde ihrem Glauben widersprechen. Sie dazu zu zwingen, wäre ein Verstoß gegen die im ersten Zusatz zur US-Verfassung verankerte Meinungsfreiheit.

Die sechs konservativen Verfassungsrichter gaben Smith mit ihrer Entscheidung Recht. "Der Schutz des ersten Verfassungszusatzes gehört allen, nicht nur jenen, deren Motive der Regierung würdig erscheinen", heißt es in dem Urteil. 

Die linksliberale Verfassungsrichterin Sonia Sotomayor kritisierte das Urteil in einer abweichenden Meinung scharf. "Heute gewährt das Gericht zum ersten Mal in seiner Geschichte einem für die Öffentlichkeit zugänglichen Unternehmen ein Verfassungsrecht, seine Dienste Angehörigen einer geschützten Gruppe zu verweigern." Ein "Akt der Diskriminierung" sei nie eine durch den ersten Verfassungszusatz geschützte Meinungsäußerung gewesen.

Auch Präsident Biden kritisierte das Urteil scharf. "Ich bin zutiefst besorgt, dass die Entscheidung zu mehr Diskriminierung gegen LGBTQI+-Amerikaner führen könnte", erklärte der Politiker der Demokratischen Partei. "Die heutige Entscheidung schwächt seit langem bestehende Gesetze, die alle Amerikaner vor Diskriminierung schützen."

Ein weiteres Urteil des Gerichtshofs richtete sich direkt gegen Bidens Regierungspolitik. Die Verfassungsrichter urteilten, die Biden-Regierung habe mit der geplanten Streichung von Studienschulden von laut Gerichtsdokumenten 430 Milliarden Dollar (rund 395 Milliarden Euro) ohne Zustimmung des Kongresses ihre Kompetenzen überschritten.

"Die Frage hier ist nicht, ob etwas getan werden sollte; es ist, wer die Befugnis hat, es zu tun", heißt es in dem Urteil. "Zu den wichtigsten Befugnissen des Kongresses gehört die Kontrolle über den Geldbeutel." Das Urteil ist ein Rückschlag für Biden, der den Erlass der Studienschulden für Millionen von Menschen zu einem zentralen innenpolitischen Anliegen gemacht hatte.

Aus dem Weißen Haus verlautete, Biden sei mit dem Urteil "überhaupt nicht einverstanden". Der Präsident werde neue Maßnahmen ergreifen, um Menschen mit Studienschulden zu unterstützen.

Das Oberste US-Gericht hat der Biden-Regierung bereits eine Reihe von Schlappen zugefügt. Der Supreme Court war in den vergangenen Jahren zunehmend nach rechts gerückt, weil Bidens Vorgänger Donald Trump in seiner Amtszeit drei der insgesamt neun Richterposten neu besetzen konnte. Kritiker werfen dem Gerichtshof vor, zunehmend politisch zu agieren. Biden sagte am Donnerstag: "Das ist kein normales Gericht."

Vor einem Jahr hatte der Supreme Court weltweit für Schlagzeilen gesorgt, als er das seit mehr als 50 Jahren in den USA landesweit geltende Grundrecht auf Abtreibungen abschaffte. Einen weiteren Paukenschlag gab es am Donnerstag: Der Supreme Court erklärte die Praxis vieler Hochschulen für verfassungswidrig, bei der Auswahl von Studienbewerbern deren Hautfarbe zu berücksichtigen. 

Mit der sogenannten Affirmative Action oder positiven Diskriminierung hatten US-Hochschulen über Jahrzehnte versucht, einen besseren Zugang von Minderheiten - insbesondere Afroamerikanern - sicherzustellen.

Mit den Entscheidungen vom Freitag endete das Gerichtsjahr für den Supreme Court. Das neue Gerichtsjahr beginnt im Oktober.

fs/lan


Charlotte PLANTIVE / © Agence France-Presse