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Rezension: Oppenheimer. Instabil. Theatralisch. Mutmaßlicher Kommunist?

Die Erforschung der menschlichen Mimik: Wie Oppenheimer, dem Menschen das Feuer brachte und somit ihnen die Macht gab sich selbst zu zerstören. Eine Filmrezension/-kritik.

Das andauernde Knacken eines Geigerzählers, das schwellende, tieffrequente Dröhnen und das schwere Atmen eines Oppenheimers, während dieser auf das grelle Licht auf einem Feld in Los Alamos starrt. Ein Moment der Bewusstwerdung: Es ist zum Tod geworden, zum Zerstörer der Welten. Wenige Tage später in einer kleinen Sporthalle in der Stadt – die für ihn errichtet wurde und in der er mit einer Reihe der besten Wissenschaftler*innen des Landes die Atombombe baute – hielt er in einem Anflug einer Panikattacke eine Rede; die Kamera hält stetig auf sein Gesicht. Seine Atombombe verwandelte Hiroshima in einen Feuerball. Die Anwohner*innen im Publikum brechen in einen dröhnenden Applaus aus. Applaus für einen blinden Patriotismus. Applaus für die Ermordung unzähliger Unschuldiger. Applaus für den Tod. Applaus für den amerikanischen Prometheus. Oppenheimer schaut zu seinen Füßen. Er steht inmitten eines zur Asche gewordenen Korpus.

Die hellblauen Augen Oppenheimers (Cillian Murphy) blicken gedankenverloren in die Kamera oder apathisch dran vorbei, während er sich in Erinnerungen, Fantasien und Albträumen verliert. Seine zerbrechliche Statur sitzt in einem kleinen Raum umgeben von rauchenden Männern, die ihm 1954 seine Sicherheitsfrage nicht erneuern wollen und hierfür all die amerikanischen Wegbegleiter Hoppenheimers verhören. Eingetaucht in einen Türkis-Orangen Filmlook dürfen wir dem Vater der Atombombe beim Ringen mit sich selbst, seiner eigenen Schaffenskraft, den Leiden, die er über die Welt brachte und was andere Menschen entschieden haben, was er sein soll, zuschauen.

Während wir Oppenheimers Leben zwischen physikalischen Visionen, unzähligen Affären, politischen Hetzjagden und seiner prometheischen Bedeutung für die Welt verfolgen, wechselt der Film aus einem Türkis-Orange in ein Schwarz-Weiß. Derweil für den amerikanischen Physiker die Welt in all seiner Komplexität und Farbe dasteht, erfährt der nicht so bescheidene ehemalige Schuhverkäufer und Vorsitzende der U. S. Atomic Energy Commision Lewis Strauss (Robert Downey Junior) eben diese in Schwarz-Weiß. So begleiten wir Strauss bei seiner Anhörung zum Posten des Handelsministers, in denen er Fragen zum Fall „Oppenheimer“ gestellt bekommt. Dieser lebt andauernd in einer schwarz-weißen Freund-Feind-Dichotomie. Diese beiden Gerichtsdramen, die keine sein wollen, werden von einer dritten Schuldsuche begleitet: Wer trägt die Schuld an den hunderttausenden Toten von Hiroshima und Nagasaki?

In dem 25-jährigen Entstehungsprozess dieses Films ist Christopher Nolan etwas Grandioses gelungen. Seine Fähigkeit und Obsession mit der unterschiedlichen Erfahrbarkeit von Zeit und deren kohärenten Verknüpfung mit einer Vielzahl verwobener nie ruhender Narrationen, komplexer Charakterstudien und erschütternden Thematiken ist atemberaubend. Dieser Film über den Leiter des Manhattan Projekt, und dem unbändigen Feuer, dass er entzündete, sowie seinen späteren Versuchen dieses politisch zu löschen, ist mehr als eine bloße Biografie oder ein Historiendrama – es ist vermutlich Nolans bisher beste Arbeit. Wir haben unseren neuen Oskarkandidaten.

„Oppenheimer“ ist eine düstere Apotheose. Eine brillantere Antithese zu dem blinden Patriotismus eines Films wie „Top Gun“. Eine Geschichte über Kraftverhältnisse zwischen Atomen, Menschen und Staaten. Auf der Suche nach der Antwort für die Frage: Was ist Macht? Wie entsteht sie? Wie wird sie in Balance gehalten? Wie korrumpiert sie? Ein Film über einen Mann auf der Suche nach seiner Absolution.

Filmbewertung: 92/100

 

Zum Streik:

Picasso. Strawinski. Freud. Marx. Oppenheimer akzeptiert nicht bloß die Revolution in der Physik, sondern suchte sie auch als Demokrat. Sein Engagement in den Gewerkschaften, und eine Verachtung hierfür seitens einer Elite schwarzgekleideter, machthungriger Männer, scheint, den realen Streikevents, die diesen Film umgeben nahezuliegen.

Während der Film den Moment beschreibt, indem das Schicksal der Welt in den Händen von Männern liegt, die besessen von ihrer eigenen Macht sind, stehen die Schauspieler*innen dieses Films auf den Straßen Los Angeles, um den machtgierigen Männern in den Führungsriegen der Filmproduktionsfirmen lebenswerte Konditionen für Autor*innen, Schauspieler*innen und Filmschaffende abzuringen. Diese Streikanliegen sind meines Erachtens für die Zukunft des Films unabdingbar! Ich möchte und kann nicht eine Rezension schreiben, ohne auf eben diese Streikanliegen aufmerksam zu machen! Informiert euch doch gerne auf www.wga.org/oder www.sagaftra.org/.  

Bild- und Textrechte: Marcel Guthier.